Porträt Der wandelbare Söder: Hardliner, Wahlkämpfer, Landesvater

München · Keine Frage: Ohne den CSU-Spitzenkandidaten Söder wäre der Wahlkampf in Bayern deutlich langweiliger gewesen. Genau wie die vergangenen Jahre in der bayerischen Landespolitik. Doch wohin kann das führen?

 Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, kommt zur Wahlparty der CSU.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, kommt zur Wahlparty der CSU.

Foto: Michael Kappeler

Grau ist er geworden, der Markus Söder. Nicht erst im Wahlkampf. Da aber auch, denn die letzten Monate haben dem 51-Jährigen alles abverlangt. Nicht nur in seiner Rolle als bayerischer Ministerpräsident, auch als oberster CSU-Wahlkämpfer musste Söder alles geben.

"Es war eine spannende Zeit, eine anstrengende Zeit", beschreibt er am Freitag am Rande seines letzten großen Wahlkampftermins in München die sieben Monate seit seiner Wahl zum jüngsten Regierungschef in der Geschichte Bayerns. Damit es nicht wie ein Abschied klingt, ergänzt er: "Klar ist, es wird weitergehen."

Wer derzeit den Menschen hinter dem Politiker Markus Söder finden will, der muss tiefer graben als je zuvor. Nicht etwa, weil Söder im Wahlkampf sein Naturell absichtlich versteckte, oder weil es für die CSU derzeit so schlecht läuft, sondern weil er sich seit Ende Juni - dem Zeitpunkt, als die CSU letztmals in Umfragen über die 40 Prozent kommt - in einem Tunnel auf dem Weg zu seinem großen Lebensziel befindet: gewählter Ministerpräsident des Freistaats Bayern bleiben. Alles was ihn davon ablenkt, wird ausgeblendet.

Seine Konzentrationsfähigkeit hat Söder weit gebracht. Seit 1983 ist der Jurist CSU-Mitglied, von 1995 bis 2003 war er Chef der Jungen Union Bayern. Seit 1994 ist er Landtagsabgeordneter, seit 1995 Teil des Präsidiums, von 2003 bis 2007 war er Generalsekretär unter Stoiber ("mein Mentor und eine politische Vaterfigur"), seitdem im Kabinett - erst zuständig für Europa, dann für Umwelt, seit 2011 für Finanzen und seit 2013 zusätzlich noch für Landesentwicklung sowie Heimat. Im März 2018 war es dann soweit: die CSU-Landtagsfraktion wählt Söder nach einem langen Machtkampf mit Parteichef Horst Seehofer zum neuen Ministerpräsidenten.

Wer sich dieser Tage dem Politiker Markus Söder annähern will, wird Zeuge einer paradoxen Situation. Der vierfache Vater genießt schon lange bundesweite Bekanntheit. Durch markige Aussagen hat sich der Fan des 1. FC Nürnberg über die Jahre das Image des Hardliners erworben. Dies hat zweifelsohne seinen Marktwert schnell in die Höhe schnellen lassen. Auf dem Zenit der Landespolitik angekommen, hat sich genau dieses Image aber auch als ein Bumerang entpuppt.

Um dies zu verstehen, muss folgendes bedacht werden: Auch wenn Söder sich seit Monaten bemüht, die Rolle des Landesvaters auszufüllen, ist sein Image ein anderes. Außerhalb der CSU sehen ihn die meisten als Populisten, Scharfmacher und Rechtsaußen, vor Wochen wurde er per Umfrage zum unbeliebtesten Ministerpräsidenten in Deutschland gekürt.

Während Söder solche Kritiken früher scheinbar rückstandslos an sich abperlen ließ, verlangt seine neue Rolle einen anderen Umgang. Denn als Ministerpräsident, insbesondere in Zeiten absoluter CSU-Mehrheit, ist er auf ein besseres Image angewiesen. Kein Wunder also, dass er kurz vor der Wahl betonte, wie sehr ihn schon die kurze Amtszeit geprägt habe und wie sehr er sich weiterentwickelt habe. Dies zeigt Söder auch in der Stunde der Wahlniederlage am Sonntagabend, als er erklärt, die CSU werde das Ergebnis mit Demut annehmen.

Egal ob Söders neuste Metamorphose aus eigener Überzeugung oder nur aus wahltaktischen Gründen erfolgt. Fakt ist, Söder ist ein wahrlich wandelbarer Mann, ganz anders als es seinem großen Vorbild Franz Josef Strauß nachgesagt wird, der übrigens als Poster über Söders Jugendbett hing. Dies zeigte sich alleine in den vergangenen Monaten mehrfach. So wurde Söder zur Bundestagswahl 2017 plötzlich leise. Keine verbalen Angriffe, selbst während der monatelangen Geduldsprobe bis zu seiner Wahl zum Ministerpräsidenten, schluckt er all seinen Ärger über seinen ewigen Kontrahenten Horst Seehofer herunter.

Zu Beginn des Landtagswahlkampfes ermöglicht Söder Interessierten sogar einen wohl dosierten Einblick in sein Privatleben. Und dies nicht irgendwo, sondern in Kinosälen. Das Kalkül: Wer Sorge hat, seine Stimme einem Hardliner zu geben, kann dies bei einem Schüler mit Einser-Abitur und Fan von Hunden, Science-Fiction, ausgefallener Faschingsverkleidung sowie bekennenden Christen eher. Anfangs scheint die Strategie aufzugehen. Söders Sympathiewerte steigen.

Erst als im Frühsommer im Bund die Asylpolitik wiederholt für Streit sorgt, geht Söder wieder in die Offensive, spricht gar von "Asyltourismus", vom "Endspiel um die Glaubwürdigkeit" und sagt nebenbei das Ende des Multilateralismus voraus. Doch der Schuss geht nach hinten los, der harte Kurs gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfängt nicht mehrheitlich. Also schwenkt Söder wieder um, doch so sehr er auch um verbale Abrüstung bemüht ist, der angestrebte Imagewandel ist damit verpufft. Vorerst.

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