Keine offenen Arme Deutschland soll ab 2020 Einwanderungsland sein

Berlin · Die Bundesregierung will Menschen zur Einwanderung ermutigen, die auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Damit ihr geplantes Gesetz nicht als offene Einladung an alle missverstanden wird, hat sie allerdings viele Bedingungen eingebaut.

 Informationsveranstaltung der Arbeitsagentur Rostock zur Vermittlung von Füchtlingen in Hotels oder Restaurants.

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Foto: Bernd Wüstneck/Archiv

Mäßige Umfragewerte und öffentliche Schelte haben die Regierungskoalition unter Druck gesetzt. Für SPD, CDU und CSU ist es deshalb wichtig, dass sie ihre Versprechen jetzt auch einhalten.

Eines davon ist die zügige Verabschiedung eines Gesetzes, das qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland ebnet. Der Entwurf dafür ist jetzt fertig.

Die Regierung hat ihn zusammen mit einem zweiten Vorschlag beschlossen. Dieser soll abgelehnten Asylbewerbern helfen, in Deutschland dauerhaft beruflich Fuß zu fassen. Davon profitieren allerdings nur diejenigen, die fleißig sind, Deutsch lernen, keine Vorstrafen haben und aus Gründen, die sie selbst nicht zu verschulden haben, nicht abgeschoben werden können.

Die Regierung will, dass beide Regelungen Anfang 2020 in Kraft treten. Ob sie den Bundestag in ihrer aktuellen Form passieren werden, ist aber noch fraglich.

Im Grundsatz sind sich die Koalitionäre zwar einig. Im "Kleingedruckten" liegt aber viel Zündstoff. In der Union haben vor allem die Innenpolitiker Bedenken. Und auch bei den Gewerkschaften gibt es Sorgen. Womöglich ist der Streit also noch gar nicht beendet, sondern nur auf das nächste Jahr vertagt.

FÜR DIE UNTERNEHMEN ist wichtig, dass auch nicht-akademische Fachkräfte künftig eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu sechs Monate zur Suche nach einem Arbeitsplatz in Deutschland erhalten. Denn viele Firmen haben es bislang nicht geschafft, im Ausland selbst Fachkräfte anzuwerben, um ihre offenen Stellen zu besetzen. Das hätte das Problem nämlich auch schon gelöst. Denn wer einen Arbeitsvertrag vorweisen kann, bekommt auch jetzt schon ein Visum. Jobben dürfen die Arbeitssuchenden allerdings nicht in diesen sechs Monaten. Nur eine Probebeschäftigung von bis zu zehn Stunden pro Woche ist erlaubt.

Außerdem steigt die Chance, dass die Firmen abgelehnte Asylbewerber, die eine Duldung besitzen und in ihrem Unternehmen arbeiten, über längere Zeit weiter beschäftigen dürfen.

FÜR ABGELEHNTE ASYLBEWERBER, DIE ARBEITEN, eröffnet eine nun vom Kabinett beschlossene Änderung im Aufenthaltsgesetz neue Möglichkeiten. Sie können eine sogenannte Beschäftigungsduldung erhalten, die für 30 Monate gilt. Und zwar auch dann, wenn sie nur als Küchenhilfe oder in einem anderen Job ohne Qualifikation arbeiten. Das bringt mehr Sicherheit und Stabilität in ihr Leben. Vor allem, da sie auf diesem Weg nach diesen zweieinhalb Jahren eine reguläre Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Diese Regelung ist allerdings bis zum 30. Juni 2022 befristet.

Die Beschäftigungsduldung kommt allerdings nicht für jeden infrage, weil sie an zahlreiche Bedingungen geknüpft ist. Der ausreisepflichtige Ausländer muss seit mindestens einem Jahr im Besitz einer Duldung sein. Er muss mindestens 18 Monate lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein und mindestens 35 Stunden pro Woche gearbeitet haben. Bei Alleinerziehenden reichen 20 Wochenstunden. Verlangt werden außerdem "hinreichende mündliche Kenntnisse der deutschen Sprache".

Außerdem muss er "die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen" haben. Darauf hatten besonders Innenpolitiker aus der Union Wert gelegt. Sie sagen: Wer ehrlich ist, darf im Einzelfall nicht schlechter gestellt werden als ein anderer abgelehnter Asylbewerber, der nur deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil er Angaben zu seiner Herkunft verweigert. Für Geduldete, die vor 2017 eingereist sind, gibt es eine Sonderregelung: Wenn sie eine Beschäftigungsduldung beantragen und alle anderen Voraussetzungen erfüllen, reicht es, wenn sie dann erst einen Pass vorlegen. Sie müssen dann trotzdem keine Angst haben, dass sie, weil die Reisedokumente jetzt vorliegen, abgeschoben werden.

Wird jemand mit Beschäftigungsduldung arbeitslos, kann er sich einen neuen Job suchen. Wenn er länger arbeitslos bleibt, fängt er aber praktisch von vorne an. Das heißt, er muss zweieinhalb Jahre warten, bis er eine reguläre Aufenthaltserlaubnis bekommt.

ABSOLVENTEN DEUTSCHER AUSLANDSSCHULEN dürfen künftig nicht nur nach Deutschland kommen, um zu studieren, sondern auch, um sich einen Ausbildungsplatz zu suchen.

FÜR EINHEIMISCHE ARBEITNEHMER bergen die Neuregelungen nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Risiken. Die Bundesregierung betont zwar, in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit könnten die Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung ausgesetzt werden. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach warnt dennoch: "Trotz einiger weniger guter Regelungen ist es ausgerichtet an kurzfristigen Unternehmensinteressen und öffnet Tür und Tor für Lohndumping und Ausbeutung, weil die Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte an eine bestimmte Tätigkeit bei einem Arbeitgeber gebunden ist." Einheimische, die in Berufen arbeiten, die keine längere Ausbildung verlangen, müssen eine Sorge aber nicht haben: Über die Fachkräftezuwanderung dürfen keine qualifizierten Kräfte einwandern, die dann in Deutschland nur kellnern oder Taxi fahren. Schon erlaubt ist aber, dass ein Chemieingenieur als Chemielaborant arbeitet.

EINEN MISSBRAUCH DES FACHKRÄFTEEINWANDERUNGSGESETZES will die Regierung verhindern. Deshalb kann sie eine Zuwanderungssperre für Länder erlassen, deren Staatsangehörige nach der Einreise zu Bildungs- und Erwerbstätigkeitszwecken in großer Zahl Asylanträge stellen, die dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Allerdings müsste dafür der Bundesrat zustimmen.

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