Die Germanen ließen Remagen ungeschoren

Die Stadt blickte 2001 auf eine 2 000-jährige Geschichte zurück - Viele Regenten rangen um die Vorherrschaft am Mittelrhein

  Hoch über der Stadt  ist die Apollinariskirche seit ihrer Fertigstellung 1852 Ziel von Wallfahrern. Foto: Vollrath/Archiv

Hoch über der Stadt ist die Apollinariskirche seit ihrer Fertigstellung 1852 Ziel von Wallfahrern. Foto: Vollrath/Archiv

Remagen ist 2 000. Oder etwa nicht? Stadtarchivar Kurt Kleemann jedenfalls mahnt zum behutsamen Umgang mit dem Datum. "Dass im Rheinland fast alles auf die Römer zurückzuführen ist, ist eine weit verbreitete Erkenntnis", weiß der Historiker. "Dem derzeitigen Forschungsstand zufolge ist Remagen ungefähr 2 000", schreibt er denn auch im aktuellen Jahrbuch des Kreises Ahrweiler. Ob die Siedlung am Strom aber mit Sicherheit im Jahr eins nach Christi Geburt das Licht der Welt erblickte, kann so ganz genau keiner sagen.

Als gesichert gilt, dass vor der Eroberung durch das römische Imperium bereits Kelten in einer Siedlung in der Goldenen Meile lebten. Dafür spricht vor allem das Alter von zwei Eichenbalken, die bei Ausgrabungen im Jahr 1900 entdeckt, aber erst Mitte der 80er Jahre zum ersten Mal mit modernen wissenschaftlichen Forschungsmethoden untersucht wurden. Ergebnis: Zwischen 6 v. und 6 n. Christi Geburt sind sie geschlagen und bearbeitet worden. Und historische Fotos von den Ausgrabungen weisen darauf hin: Mit römischer Bauweise hat die Palisade, zu der die Balken gehörten, vermutlich nichts gemein.

"Man hätte das Jubiläum auch einige Jahre vor oder nach 2001 feiern können", sagt Kleemann. Das Römische Kastell sei möglicherweise erst um 43 nach Christus errichtet worden. Dass die Gründung der Stadt nicht in die Zeit des römischen Feldherrn Drusus (38 bis 9 v. Chr.) - wie ursprünglich angenommen - fiel, hatten Münz- und Keramikfunde bei den Ausgrabungen im Jahr 1900 an der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul ans Tageslicht gefördert - zur Überraschung der Bürgerschaft.

Denn die Stadtbewohner hatten bereits - rückblickend etwas voreilig - Drususstraße und Drususplatz dem vermeintlichen Stadtgründer gewidmet. Verunsicherung machte sich nun breit. Bis jetzt kann die Errichtung des Römerkastells nicht mit 100-prozentiger Sicherheit vorgenommen werden. Stichfeste Beweise, so Kleemann, gebe es nicht.

Wie dem auch sei, 400 Jahre war Remagen römische Garnisonstadt. Truppen aus dem gesamten Reich schoben ihren Dienst am Rhein. Von "Rigomagus" - keltisch für Königsfeld - ist erstmals beim römischen Chronisten Ammianus Marcellinus im Jahr 356 zu lesen. Der berichtete, dass nach einem Überfall der Germanen lediglich ein Turm bei Köln und die alte Römersiedlung am Rhein ohne Schaden davon gekommen waren.

Zwar kann nicht bewiesen werden, dass Remagen während des Mittelalters durchgehend besiedelt war, doch der Fortbestand des Namens deutet darauf hin. Im Nebel liegt etwa der Übergang zwischen Antike und Mittelalter, nachdem die Römer das Land entlang des Stroms verlassen hatten.

Wie resolut und selbstbewusst Remagens Bürger schon früh waren, macht die Entwicklung der Siedlung zur Stadt im Lauf des Mittelalters klar. Man höre und staune: Mit Stolz geschwellter Brust stellten reiche Remagener Kaufleute, denen eine Münzpräge-Werkstatt zur Verfügung stand, eigene Urkunden mit eigenem Siegel aus. "Freie" Stadt nannten sie ihre Heimat darin. Seit spätestens 1221 fungiert der Ort als Stadt. Trotz allen Fortschritts: Auch verheerende Katastrophen gehören zur Geschichte des schmucken Städtchens und werfen dunkle Schatten auf seine Vergangenheit. 1198 wurde Remagen durch einen Brand zerstört.

1248 fiel es an den Grafen von Berg. Die Entwicklung stagnierte, denn fortan waren Remagener nicht mehr frei, sondern an das Gutdünken von teils willkürlich herrschenden Machthabern gebunden. Weinbau und Handwerk - harte körperliche Arbeit - zählten zu den wichtigsten Erwerbszweigen. 1666 fiel fast die Hälfte der Einwohner der Pest zum Opfer.

Aufwärts ging es im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Zu Beginn der 40er Jahre errichtete man die Rheinwerft und die Landebrücke der Düsseldorfer und der Kölner Dampfschifffahrt-Gesellschaft. 1852 wurde der Leinpfad ausgebaut. Zudem veränderten Eisenbahn, Automobil und Elektrizität auch das Leben der Menschen in Remagen grundlegend. 1852 präsentierte sich auch die neue Apollinariskirche den Remagenern in voller Pracht. Aus allen Teilen Deutschlands drängten sich Beter und Schaulustige in dem neugotischen Bau. Adelige - vor allem aus dem Haus Hohenzollern - gaben sich am Rhein ein Stelldichein.

Weltweit bekannt wurde die Stadt durch die dramatischen Ereignisse Ende des Zweiten Weltkriegs. Den Alliierten gelang am 7. März 1945 - nach zwei fehlgeschlagenen Sprengungsversuchen - die erste Rheinüberquerung durch US-Einheiten. In den Ufertürmen befindet sich jetzt das Friedensmuseum, das - ähnlich wie eine Verfilmung der Ereignisse - an die Zeit der Gewalt, Not und Entbehrungen erinnert. Seit der regionalen Umstrukturierung des späteren Bundesgebiets 1947 gehört die heute rund 17 000 Einwohner zählende Stadt zu Rheinland-Pfalz.

Erneuten Wandel brachte der vom Bundestag 1991 beschlossene Regierungsumzug. Remagen ist seit dem Bau des RheinAhrCampus der Fachhochschule Koblenz Hochschulstandort. Trotz der ungeklärten Frage nach dem exakten Gründungsjahr: Stadt und Bürger warten in diesem Jahr mit einem gebührenden Jubiläumsfest auf. Auf dem Programm stehen große und kleine Veranstaltungen das ganze Jahr über.

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