Kommentar Die Pleite am Nürburgring - Millionengrab

50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie", pflegte Ludwig Erhard zu sagen, und andere Kundige ergänzen: 50 Prozent von Politik auch. Nimmt man beide Aussagen zusammen, muss man beim Nürburgring und bei Kurt Beck zum Ergebnis kommen: Hier hat die Landespolitik zu 100 Prozent versagt.

Bei dieser Bewertung geht es zunächst einmal gar nicht um die Krisennachrichten, die gestern aus Brüssel über Mainz den Weg in die Öffentlichkeit fanden. Bei der Beurteilung der Gesamtumstände muss man zu dem Ergebnis kommen: Am Beispiel Nürburgring beweist sich wieder einmal, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist, sondern der schlechtere.

Gewiss: Das Motiv der rheinland-pfälzischen Landespolitik war und ist ehrenwert: Mit Strukturhilfen der strukturschwachen Eifelregion am Ring auf die Sprünge zu helfen. Doch an dem anderen Umstand lässt sich eben auch nicht rütteln: Wenn es dort finanziell Lukratives zu unternehmen gäbe, hätten es findige Unternehmer längst getan. Denn es ist ja nicht so, dass der Nürburgring - mit und ohne die Pleiten, Pannen und Skandale der letzten Monate - eine Erfolgsgeschichte wäre.

Klar: Es gibt Rock am Ring, es gibt zahlreiche Motorsportveranstaltungen, aber es gibt eben auch das Dauergerangel um die Formel 1, es gibt kein überzeugendes Konzept für den Freizeitpark, es gibt unberücksichtigte Vorschläge aus der Region und es gibt ein heilloses Durcheinander im Streit zwischen Besitz- und Betreibergesellschaft. Was soll etwa der Bürger davon halten, dass die gekündigten Betreiber an einem Krisentag wie gestern verkünden, was im kommenden Jahr am Ring laufen wird, wenn sie selbst doch Ende Oktober gar nicht mehr im Geschäft sein werden?

Dass Kurt Beck in dieser gründlich verfahrenen Situation, die die Steuerzahler viel Geld kosten wird, nun in der Brüsseler EU-Kommission den Bösewicht ausmacht, ist verständlich, aber dennoch falsch. Zu einer souveränen Behandlung der Materie hätte eben auch gehört, dass man Haupt- und Nebenverfahren in Brüssel gut kommuniziert.

Die EU-Kommission ist ja keine Monsterbehörde, deren Hauptziel darin besteht, Schaden in den Mitgliedsländern anzurichten. Sie muss sich aber an Recht und Gesetz halten. Und unter Zeitdruck - da ist sie den Karlsruher Verfassungsrichtern durchaus ähnlich - verhandelt auch sie nicht gern. Der Finanzbedarf am Ring ist ja nicht durch Brüsseler Untätigkeit entstanden, sondern durch Mainzer Unfähigkeit. Deshalb ist es zu billig, jetzt mit dem Finger auf Brüssel zu zeigen.

Kurt Beck mag sich seinen Rückzug nach Mainz anders vorgestellt haben, der Rückzug ins Privatleben ist ihm seit gestern auch verbaut. Denn spätestens jetzt ist der Ring mit allem, was daran hängt, Chefsache.

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