Drei Bonner Piraten entern die Politik

Generation Google: Eine neue Partei zieht viele Menschen an, die sich zum ersten Mal politisch engagieren. Im Bundestagswahlkampf holte die Piratenpartei zwei Prozent der Stimmen - trotz ihrer teils radikalen Positionen.

Drei Bonner Piraten entern die Politik
Foto: Volker Lannert

Bonn. Der Eintrag auf seiner Internetseite ist lang. Wütend fasst ein 42-jähriger IT-Sicherheitstechniker aus Bonn zusammen, was ihm nicht passt an der Politik. An den Entscheidungen zu Internetsperren und zur Vorratsdatenspeicherung. Der Eintrag trägt den Titel: "Warum ich in die Piratenpartei eingetreten bin." Mittendrin steht der Satz: "Okay, ihr wollt es nicht anders."

Heute ist Christian Horchert einer von 12 000 Mitgliedern der Piratenpartei in Deutschland. Bei der Bundestagswahl kam die Partei auf zwei Prozent, 848 000 Menschen haben sie gewählt - trotz ihrer teils radikalen Positionen und obwohl sich alle Parteien mittlerweile dem Thema Internet widmen. In Umfragen in Sozialen Netzwerken haben die Piraten sogar zweistellige Ergebnisse eingefahren.

Neben Horchert sitzen Julia Schramm und Christoph Grenz - ebenfalls Piraten. Im Gespräch feuern die drei, die sich das erste Mal politisch engagieren, ein Thema nach dem nächsten ab. Und jedes Mal kommt heraus: Sie finden, dass eine ganze Menge Menschen komisches Zeug über "ihr" Internet plappern. Ein Beispiel: Der Satz "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein".

Immer wieder sind diese Worte in der Öffentlichkeit gefallen, der 19-jährige Christoph Grenz kann sie nicht mehr hören. "Das sind doch alles Menschen, die Computer bedienen. Und die haben Gesetze einzuhalten, egal ob auf der Straße oder im Netz." Er studiert Informatik - und hat sich für die Piratenpartei entschieden, obwohl er aus sozialdemokratischem Hause kommt. Seine Mutter ist Stadtverordnete. Aber die Piraten haben mehr Anknüpfungspunkte mit seiner Lebenswelt.

Eine Chat-Nummer, wackeliges Foto: Die Partei-Seiten der drei sehen aus wie ein Profil bei StudiVZ. Dort stellen ihnen Mitglieder Fragen wie: Was hältst du von Fraktionsdisziplin? Bist du ein Nerd? Ein Nerd ist ein Computer-Spezialist, der sich stundenlang über Programmiersprachen unterhalten kann. Christian Horchert kümmert sich beruflich darum, dass Internetseiten nicht geknackt werden. Das passt.

Aber statt übers Programmieren spricht er über die demokratische Kraft des Internets: "Im Netz können alle grenzenlos kommunizieren, sich absprechen, etwas organisieren. Doch die Politiker sehen im Internet vor allem eine Gefahr", sagt er. In seiner Partei kümmert sich Horchert auch um "Liquid Democracy" - ein parteiinternes, basisdemokratisches Abstimmungssystem. Natürlich komplett online.

Julia Schramm, die Dritte im Bunde, stört das Wort "Raubkopie". Von Raub könne man gar nicht sprechen. "Denn Gewalt wird nicht ausgeübt", sagt die 24-jährige Politikwissenschafts-Studentin, die wie Horchert mittlerweile Landtagsdirektkandidatin ist. Für Politik hat sie sich immer interessiert. Sogar bei einem FDP-Abend war sie - findet für deren wirtschaftsliberale Mitglieder aber nur abfällige Worte. Und die Grünen mit ihrem Umweltfokus, das war auch nichts für sie. Für das Abschaffen aller Urheberrechte ist sie trotzdem nicht. "Aber das Recht auf eine Privatkopie soll erhalten bleiben."

Die drei Bonner Piraten - sie kämpfen dafür, dass ihr Internet nicht überreguliert wird. Aber wie die Kreditkartenbetrüger, die Pädophilen, die sogenannten Raubkopierer gefangen werden sollen, diese Frage umschiffen sie. Zum Schluss des Gesprächs sagt Julia Schramm kämpferisch: "Diejenigen, die meinen, das Internet geht wieder weg wie eine Krankheit, irren sich gewaltig."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort