Straußenfarm in Remagen Eierdiebe im Vogelgehege

REMAGEN · Der Besuch einer Straußenfarm bei Remagen führt die Sommerreporter Katrin Puvogel und Chris Necke von Radio Bonn/Rhein-Sieg für einen Tag gefühlt nach Afrika. Sie besuchen Küken und Jungtiere - und klauen einem ausgewachsenen Strauß die Eier.

 Lange Wimpern haben die Straußen um ihre großen Augen herum. Die sind übrigens größer als das Gehirn, welches nur etwa 40 Gramm wiegt.

Lange Wimpern haben die Straußen um ihre großen Augen herum. Die sind übrigens größer als das Gehirn, welches nur etwa 40 Gramm wiegt.

Foto: Andreas Dyck

Staub wirbelt auf, als der Geländewagen aus Sowjetzeiten den Feldweg entlangbraust. Festhalten muss man sich, um auf der holprigen Fahrt nicht mit dem Kopf gegen die Seiten des Ladas zu knallen. Querfeldein fahren wir über eine Wiese, mit einem Ruck hält der Wagen dann vor einem Gatter.

Ralph Schumacher steigt aus und öffnet das Tor. Zwei Tiere beobachten ihn skeptisch aus einiger Entfernung: Sie wirken beinah unecht mit den langen Hälsen und kleinen Köpfen, mit ihren großen glänzenden Augen, den nackten Beinen und dem bauschigen, hellbraunen Gefieder. Es sind zwei Straußendamen - und sie ahnen nichts Gutes.

Wir sind auf der Straußenfarm Gemarkenhof, der gut sechs Kilometer von Remagen entfernt an einer einsamen Landstraße liegt. Hier, mitten in Deutschland, leben an die 600 Strauße. Es ist ein Familienbetrieb: Ralph Schumacher und zwei Mitarbeiter kümmern sich um die Tiere, außerdem betreiben Schumachers auch ein Restaurant und einen Hofladen.

"Damit sich eine Straußenfarm rentiert, muss man auch einen Tourismusbetrieb aufrechterhalten", sagt Ralph Schumacher und deutet auf die riesige rote Bimmelbahn, die hier im Innenhof steht. Mit ihr macht der Straußenfarmer Touren über das Gelände, bis zu 90 Gäste sind dann dabei.

Über den Zaun sind wir wegen der imposanten Tiere sehr froh

Für unsere Tour heute nehmen wir ein kleineres Auto. Laufen würde zu lange dauern: Die Farm ist rund 80 Hektar groß. "Auf rund 25 Hektar laufen die Tiere, den Rest brauchen wir zum Beispiel, um Futterpflanzen anzubauen", erklärt Schumacher auf der ruckeligen Fahrt ins Gelände. Imposant sind die Tiere schon aus der Ferne, aus der Nähe eher beängstigend: Kaum sind wir aus dem Auto gestiegen, steht vor uns ein über zwei Meter großes, muskulöses Tier, das neugierig über den Zaun lugt. Über den wir ziemlich froh sind. "In der Zucht sind die Tiere auf Menschen geprägt. Denn wenn sie schlüpfen, sehen sie erstmal uns, und wir sind dann Mama und Papa für sie." Auch uns könnte der Vogel für seine Eltern halten, sagt Schuhmacher: "Sie können zwar sehr weit in die Ferne blicken, aber im Nahbereich sehen sie kaum etwas." Und das, obwohl seine Augen größer sind als sein Gehirn. In das Gehege geht aber auch der "Straußenpapa" nicht: "Es sind immer noch Wildtiere. Und wenn sie sich bedroht fühlen und dich treten, ist das lebensgefährlich."

Der große Vogel, der dort vor uns steht, ist nicht allein: Er hat zwei Hennen bei sich. "Die Zuchttiere leben zu dritt. Der Hahn hat eine Ehefrau und eine Geliebte", erklärt Ralph Schumacher. Die beiden Hennen fechten das untereinander aus: Das Paar braucht die Geliebte, um seine Eier zu schützen. Denn sie legt diese an den Rand des Nestes. "Wenn ein Raubtier kommt, würde es ihre Eier zuerst stehlen", erklärt Schumacher. "Außerdem muss die Geliebte bei Gefahr so tun, als wäre sie verletzt, also hinken und die Flügel hängen lassen, um das Raubtier vom Nest wegzulocken."

Auf der Farm leben insgesamt 56 Zuchttiere, die bis zu 20 Jahre lang Eier legen. Alle anderen leben etwa zwölf Monate, dann werden sie vor Ort geschlachtet. Das rote Fleisch gilt als sehr fett- und cholesterinarm und kostet zwischen 25 und 32 Euro pro Kilo. Es wird vor allem an Privatpersonen im Hofladen verkauft. "Als Landwirt ist das Tier für mich kein Haustier. Sie sind mir nicht egal, aber man weiß, wofür man sie hält", sagt Schumacher.

Wir fahren nun zu der Herde mit den Jungtieren: Etwa 50 Straußen rennen quer über die Weide, als das Auto sich nähert. Für einen kurzen Moment ist es, als wäre man über die Feldwege bis nach Afrika gereist. Schumacher hält an einer Weide, die noch leer ist. Noch: Bevor diese Strauße heute zu ihrem Auslauf kommen, muss er sie zunächst aus dem Stall lassen - einem Folientunnel, der an ein Gewächshaus erinnert. "Passt auf, gleich werden sie tanzen", versichert er. Und tatsächlich: Als die Strauße herauslaufen, sieht es in der Tat so aus - sie rennen umher, drehen sich und schlagen mit ihren Flügeln. "Die freuen sich", sagt der Farmer.

Die Familie Schumacher hat hier vor über 20 Jahren ihr Hobby zum Beruf gemacht. "Mein Bruder war Zootierpfleger, meine Mutter hatte einen Nandu", berichtet der 42-Jährige, der früher als Dolmetscher gearbeitet hat. "Heute kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen. Wenn ich die Farm aufgeben müsste, würde ich Strauße im Garten halten." Sogar im Urlaub fahre er gerne ins südliche Afrika, um die Tiere zu beobachten: "Auf den ersten Blick wirken sie strohdoof, aber sie sind Überlebenskünstler. Das fasziniert mich so an ihnen."

Die Sonne scheint warm in unsere Gesichter, die Wiesen vor uns sind sommergrün, wir sind mitten in Deutschland und vor uns stehen 44 hellbraungefiederte Strauße. "Sie sind wahnsinnig neugierig. Immer wenn ein Mensch am Zaun steht, kommen sie", sagt Schumacher und hält ihnen den gekrümmten Finger hin, nach dem sie sofort schnappen. "Mit dem Schnabel können sie dir nicht wehtun", erklärt er. "Sie haben keine Zähne, das zwickt nur etwas." Statt zu kauen, fressen Strauße zum Zerkleinern ihrer Nahrung bis zu anderthalb Kilo Steine, die das Futter im Magen zermahlen. Der Anblick der Tiere ist lustig, beeindruckend und verwirrend zugleich - denn die schuppigen Beine, die beiden großen Zehen und der lange Hals erinnern uns daran, dass es Dinosaurier gegeben hat.

Das wird uns auch klar, als wir kurze Zeit später im Brutraum stehen. Hier werden die Eier warm gehalten, bis die Küken schlüpfen. Das bis zu zwei Kilo schwere Straußenei hält locker das Gewicht eines Menschen aus, auch deshalb brauchen die Küken zwei Tage, um zu schlüpfen. Etwa jedes zweite Ei der Zuchttiere wird zum Küken. Schumacher prüft mit einer starken Lampe, ob sich Leben im Ei befindet: "Ich leuchte durch die Schale und kann im Innern einen Schatten erkennen."

Die Federn der Küken fühlen sich etwas borstig an

Wir dürfen eins der frisch geschlüpften Küken hochnehmen. Ganz warm und weich liegt es auf der einen Hand, während die andere es behütend von oben festhält. Die Federn fühlen sich oben etwas borstig an. "Siehst du die Schwellung am Nacken?", fragt Schumacher. "Mit dem knacken die Küken das Ei, so wie Dinosaurier." Behutsam setzen wir den zappelnden Vogel in eine ausgepolsterte Kiste: Er zieht heute in den "Kindergarten". "Die Küken kommen nach etwa vier Tagen im Brutraum nach draußen", erklärt er. Dort werden sie langsam an Futter und Auslauf gewöhnt, bevor sie auf die Weiden umziehen.

Bleibt die Frage, wie Schumacher und seine Kollegen an die Eier kommen. Sie stehlen sie - unter ziemlich heiklen Bedingungen. Und wir dürfen heute mit. Mit dem Geländewagen sind wir zu Cäsar und den beiden Hennen gefahren. Argwöhnisch beobachten die uns. Der Hahn ist nicht zu sehen. "Er liegt auf dem Nest." Der Farmer zeigt auf das hohe Gras. Er fährt sehr nah dran: "Wir müssen ihn jetzt wegscheuchen, dann springe ich aus dem Wagen und hole die Eier." Gesagt, getan: Cäsar weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Er schlägt mit den Flügeln und droht mit Schnabelklappern. Doch der geübte Farmer ist blitzschnell mit vier Eiern wieder im Wagen und knallt die Tür zu. Er fährt los. Cäsar rennt uns hinterher und um das Auto herum. "Der weiß, dass wir die Eier haben", sagt Schumacher.

Der 2,30 Meter große Strauß rempelt das Auto an. "Kann er es umwerfen?", fragt Radio-Volontär Chris Necke besorgt. "Nein, nein", beruhigt Schumacher ihn. Er hält vor dem Tor. Damit wir wieder rauskönnen, muss er noch mal aus dem Wagen: "Wir müssen warten, bis Cäsar sich abgeregt hat."

Als der Strauß nach einigen Minuten weiter hinten auf der Weide ist, steigt Schumacher aus, rennt zum Tor. Cäsar war aber aufmerksam: Er kommt angerannt, blockiert die offene Fahrertür. Wir kommen uns vor wie beim Dinosaurier-Film Jurassic Park, und das obwohl wir im sicheren Wagen sitzen. Der Farmer sucht Schutz vor dem wütenden Strauß auf der anderen Seite des Wagens. Nach einigem Hin- und Her schafft er es, den Strauß auszutricksen, und knallt die Tür hinter sich zu. "Das findet er wirklich gar nicht gut", sagt er lachend. Langsam rumpeln wir mit Cäsars Eiern davon. Der wird das aber bald vergessen haben, meint Schumacher - denn er hat ja nur 40 Gramm Gehirn.

Mehr Infos zur Farm unter www.straussenfarm-gemarkenhof.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort