US-Präsident spricht zur Welt Ein Diplomat namens Trump

New York · Der US-Präsident gibt sich vor der versammelten Weltgemeinschaft vergleichsweise zahm - ein Anzug, der ihm nicht so richtig passen will. Das Publikum muss zwei Mal sogar ein wenig lachen.

Im Sessel: US-Präsident Trump wartet darauf, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen.

Im Sessel: US-Präsident Trump wartet darauf, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen.

Foto: Mary Altaffer/AP

Eigentlich ist dies genau die Kragenweite von Donald Trump: Ein bisschen Pomp beim Auftritt, die ganze Welt ist in einem Raum versammelt, um seinen Worten zu lauschen.

Vor seiner Rede darf der US-Präsident wie fast alle Redner bei der UN-Vollversammlung kurz in einem thronartigen Sessel Platz nehmen, über ihm das Emblem mit dem Erdkreis, umrahmt von zwei Olivenzweigen - so will es das Protokoll.

Doch Donald Trump scheint irgendwie fehl am Platze, an diesem verregneten Dienstagvormittag am New Yorker East River, vor dem großen Marmorpult, das er einst als "billig" bezeichnete. Zu steif ist die Atmosphäre, zu informiert die Zuhörerschaft. Zu groß ist der Graben zwischen ihm und dem überwiegenden Rest der Internationalen Gemeinschaft, an die er seine Rede richtet. Wo er von seinen Anhängern ein Johlen hört, erntet er hier Raunen. "Die Reaktion habe ich nicht erwartet", sagt er, als er für Eigenlob Gelächter erntet.

Die Rede fällt insgesamt zahmer aus, als noch vor einem Jahr, bei seinem ersten Auftritt. Damals drohte er die Zerstörung Nordkoreas an, heute streckt er zwischendurch sogar die Hand aus, macht Angebote für ein Miteinander ohne gegenseitige Einmischung. Den ganz klaren Trennschnitt zwischen einer Wahlkampf-Tirade und einer Rede an die Weltgemeinschaft bekommt der US-Präsident aber dieses Mal nicht hin.

Trump spricht von Souveränität. Er will den alten Nationalstaat. "Amerika wird immer Unabhängigkeit und Kooperation vorziehen vor Weltregierung, Kontrolle und Dominanz", sagte Trump. Will heißen: Die USA sollen in Ruhe gelassen werden, ihr Ding machen dürfen. Die Zusammenarbeit auf großer Ebene, mit Regeln, die er nicht allein bestimmt - das erträgt der US-Präsident allenfalls dann, wenn seine Interessen nicht einschneidend berührt werden.

Nirgends wird dieses Prinzip so deutlich wie im Nahen Osten. Die Politik der USA richtet sich frontal gegen den Iran als Feindbild. Die Feinde des Iran, Saudi-Arabien und Israel, sind die Freunde der USA. Beide Länder hebt Trump in seinem Lob für vorbildliche Nationen hervor - das reformwillige Saudi-Arabien, das stolze Israel, auch Polen und Indien nennt er.

"Die Führer des Iran säen Chaos, Tod und Zerstörung", sagte Trump. Sie machten sich die Taschen voll, durch Korruption und Diebstahl. Und der Atomdeal, von seinem verhassten Vorgänger Barack Obama maßgeblich mitinitiiert, helfe noch dabei. Die USA begegneten dem mit einer Kampagne des ökonomischen und politischen Drucks. "Wir bitten alle Nationen, das iranische Regime zu isolieren", sagte Trump.

Das dürfte nicht auf großen Widerhall stoßen. Experten warnen bereits vor einem Flächenbrand in Nahost. Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas warnt. Es bestehe die Gefahr, dass der Iran unter größtmöglichem Druck wieder in ein militärisches Atomprogramm einsteige, sagte Maas in New York. "Das wollen wir nicht, das würde die ganze Region in Flammen setzen."

Der Atomdeal, der aus Sicht aller Teilnehmer außer Trumps USA zu einer nuklearen Abrüstung und einer Verstetigung der Zusammenarbeit mit dem Iran geführt hat, passt nicht ins Weltbild Trumps. Zu viele Regeln von außen, zuwenig Spielraum für die USA. Dass Trump wenige Minuten später über die Ölpreise der Opec räsoniert und behauptet: "Die Opec und andere nehmen die Welt aus" - das passt allerdings zum Denkmuster des Energieexporteurs USA. Auch an dieser Stelle müssen viele der Diplomaten aus 190 Ländern lachen.

Nicht nur in dem imposanten Rundsaal der Vereinten Nationen wird deutlich: Die Welt will sich die Vorgaben aus dem Weißen Haus in dieser Form nicht mehr gefallen lassen. Klimawandel, Migration, Menschenrechte, Nahost - überall kochen die USA ihr eigenes Süppchen, ziehen sich aus internationalen Regelwerken zurück.

Viele sehen den Multilateralismus der Nachkriegszeit in Gefahr. Es werden Gegenbewegungen spürbar. Die EU bekämpft die Iran-Sanktionen Washingtons, Deutschland will sich bei der Frage von Gaslieferungen aus Russland nicht einschüchtern lassen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas formiert Widerstand gegen einen US-Friedensplan, der zwar noch nicht bekannt ist, aber eher nicht zu Gunsten der Palästinenser ausfallen dürfte.

Schon seine Vorredner haben Trump klar ins Abseits gestellt. Einige machen deutlich, dass das Vorgehen der Vereinigten Staaten unter Trump recht deutlich dem Geist der Vereinten Nationen, 1945 aus den Lehren des Zweiten Weltkriegs entstanden, widerspricht. "Das Vertrauen in die regelbasierte internationale Ordnung ist an einem Knackpunkt", sagt UN-Generalsekretär Antonio Guterres nur eine Stunde bevor Trump rund 35 Minuten lang seine Sichtweise auf die Welt erläutert.

Als sich der US-Präsident zum Abschiedsgruß wieder auf seinen Ledersessel setzen darf, wirkt er ein bisschen ermattet. Ein wenig wie ein Boxer auf dem Schemel in der Rundenpause, der das richtige Mittel noch nicht gefunden hat, gegen seinen Kontrahenten. Die nächste Runde kämpft er wohl wieder gegen Gegner im eigenen Land.

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