Hinter den Kulissen Ein neuer Einsatz für "CSI Bonn"

Bonn · Anela hört aufs Wort. Vor der belgischen Schäferhündin ist kein Verbrecher sicher. Vor allem, wenn er versucht, davonzulaufen. Da muss Herrchen Lutz Engel gar nicht mal mehr "Voran!" kommandieren: Das Tier geht auf den Täter los, und der ist schnell verhaftet. Anela ist nicht der einzige Vierbeiner, der im Polizeipräsidium (PP) untergebracht ist. Täglich arbeiten dort vor allem 690 Polizisten, um in der Stadt für Sicherheit zu sorgen. Ein großer Teil rund um die Uhr.

 Mit dem Pinsel sucht Andreas Menden Fingerabdrücke.

Mit dem Pinsel sucht Andreas Menden Fingerabdrücke.

Foto: Max Malsch

Da wird geschossen, gepinselt und zur Demonstration auch mal ein Fenster aufgehebelt. Auch wenn im Haus - schon allein wegen der Wache Ramersdorf und des für jeden offenen Bistros Dahlienfeld - Publikumsverkehr herrscht, bleibt doch so manche Tür dem Bürger verschlossen. Ausnahmsweise nimmt die Polizei aber mal den Schlüssel in die Hand und gewährt Einblicke in ihre Arbeit an der Königswinterer Straße.

In dem luftigen Bau lässt es sich gut arbeiten. Die Gänge sind durch ihre Verglasungen lichtdurchflutet und machen das Präsidium schon von seiner Struktur her unerwartet gläsern. Viele Kollegen kennen sich, grüßen sich freundlich, sind oftmals beim Du. Vor den Aufzügen bleiben sie - wenn es die Zeit erlaubt - auch gern einmal stehen, um sich zu unterhalten. Ein kommunikativer Raum.

  • Die Spurensicherung: Dagegen ist Andreas Menden eher für sich und ganz auf seine Arbeit konzentriert, wenn der Kriminalhauptkommissar im weißen Kittel und mit hellblauen Gummihandschuhen etwa ein Glas abpinselt. Er trägt Ruß auf, und binnen Sekunden tritt deutlich sichtbar ein Fingerabdruck ans Licht - wirklich so, wie es schon Generationen von Jungs mit ihren Detektivkästen gemacht haben. "Wir haben 2013 insgesamt 370 Spurenleger finden können", sagt Polizeisprecherin Daniela Lindemann. 80 davon seien nach Einbrüchen erwischt worden.
  • Doch wichtiger ist erst einmal die Sicherung von DNA-Spuren. Bleiben wir beim Glas: Da hat ein Dieb versucht, sich über den Enkeltrick bei einer Seniorin einzuschmeicheln. Er kommt in die Wohnung und trinkt ein Wasser. Trägt er keine Handschuhe, wird die Polizei am Glasrand Speichelreste sichern können und etwas weiter unten Fingerabdrücke finden. Der Abrieb für die DNA-Analyse geht dann ans Landeskriminalamt oder in ein Labor.
  • Zurück zur Fingerschau, der Daktyloskopie, am Vergleichsgerät: Die Polizei muss am Tatort erst einmal unterscheiden, welche Fingerabdrücke zum Täter gehören könnten und welche zum Hausherrn. Der wird also um einen Abdruck mit Farbe gebeten. Dann schauten sich Menden und sein Team von "CSI Bonn", wie er scherzhaft sagt, die Deltas, Schleifen und Wirbel an und suchten nach Gemeinsamkeiten. Je weniger von einem Fingerabdruck gesichert werden konnte, desto mehr gemeinsame Merkmale sind am Ende nötig, um einen Täter überführen zu können.
  • Fingerabdrücke werden übrigens auch in einer Bundesdatei abgespeichert. Doch man sollte nicht meinen, dass der Computer dann Tausende davon im Eiltempo über den Bildschirm rauschen lässt, um am Ende den Abdruck des Täters zu liefern. Beim Bundeskriminalamt komme man um eine Kontrolle mit dem Auge nicht herum, versichert Menden.
  • Der Kommissar kann sich an einen Mann erinnern, dem allein durch Fingerspuren acht Tatorte nachgewiesen werden konnten. Er trug halt keine Handschuhe. Vorsicht, wenn mal eine Zigarettenkippe nach einem Wohnungseinbruch im Aschenbecher liegt: Das könnte auch eine Trugspur sein, der Dieb will die Polizei hinters Licht führen.
  • "Finger- oder Handflächenspuren führen direkt zu einer Person", sagt Menden. Anders sieht es bei Gegenständen aus. Stoßen die Beamten auf Kratzspuren eines Schraubenziehers, müssen sie auch nach dem Schraubenzieher suchen. Abdruckspuren von Schuhen sichern sie mit Gelatinefolien oder wieder aufgepinseltem Ruß. Sohleneindrücke werden mit Dentalgips ausgegossen. Meist handelt es sich übrigens um Sportschuhe, "weil die Täter etwas jünger sind", sagt Menden aus Erfahrung. Bei Einbrüchen hat die Spurensicherung ihre Arbeit in der Regel nach gut einer halben Stunde erledigt, bei Morden dauert sie dagegen meist tagelang.
  • Die Schießhalle: Polizisten werden regelmäßig an der Waffe geschult. "Es geht immer darum, deren Gebrauch möglichst zu vermeiden", sagt Daniela Lindemann im Keller des PP, wo sich auch die Sporthalle, Umkleiden, Waffen, Geräte, Werkstätten, der Kraftraum und das Gewahrsam befinden. "Schwarz", "Weiß", "Ring", "Holstern" lauten die Kommandos des Schießtrainers an zwei Kollegen, die zum Termin in der Schießhalle, auch Schießkino genannt, gekommen sind.
  • Ein Projektor wirft Bilder mit Zielen an die Wand, die Polizisten müssen mit der Walther P 99 DAO eine bestimmte Trefferzahl erreichen. Ein clever konstruierter Kopfhörer schützt die Ohren. Mit ihm ist es möglich, sich über Mikrofone miteinander zu unterhalten. Doch fällt ein Schuss, werden bestimmte Frequenzen gekappt, so dass von dem Knall so viel nicht mehr zu hören ist. Wenn dann die Patronenhülsen auf die Erde fallen, ist ihr Klirren wieder deutlich über die Micky Maus zu hören. "Gehen wir mal aus dem Qualm raus", heißt es dann. Der Trainer zieht mit seinen Schützen Bilanz, lobt oder äußert Kritik.
  • Jeder mit einer Waffe ausgestattete Beamte muss mindestens einmal im Jahr ins Schießkino, wo auch an verschiedenen Waffengattungen trainiert wird. Wer Kontakt zum Bürger hat, zweimal im Jahr. "Das ist ein Minimum", sagt Einsatztrainer Christian Plumhoff. "Die Kollegen können unbegrenzt kommen. Es dient ihrer eigenen Sicherheit." Doch nie geht es ums einfache Drauflosballern. Die Polizisten lernen, gefährliche Situationen einzuschätzen, üben so auch als Deeskalation das Nichtschießen. Es könnte ja sein, dass der Fremde, der auf einen zukommt, gar nicht angreifen will. Wie verhält man sich zum Beispiel richtig bei einem Amokläufer? Die Beamten trainieren Einsätze auch in Hallen und Gebäuden.
  • Die Asservatenkammer: Die Smith und Wesson an der Wand ist richtig schwer. Aber nicht echt. "Es handelt sich um ein Spielzeug", sagt Karl Krupp. Allerdings ein gefährliches. Er lädt das Magazin mit grellorangen Plastikkugeln und schießt damit auf einen Karton. Deckel und Unterseite werden dabei durchschlagen, als ob's nichts wäre. So ist auf den ersten Blick also nicht zu erkennen, welche der Pistolen und Gewehre an den Haken der Asservatenkammer erlaubnispflichtig sind - sprich, man bräuchte dafür eine Waffenbesitzkarte.
  • Viele der Waffen stammen aus Nachlässen, die die Leute bei der Polizei freiwillig abgegeben haben. "Wir bieten da zehn Termine pro Jahr an", sagt Krupp. Jedes Mal würden da auch zwischen zehn und 50 Waffen abgegeben. In den Schränken hängen beispielsweise auch Teleskopschlagstöcke. Egal, ob die Sachen in der Kammer noch funktionieren oder nicht: Sie werden alle in einem Hochofen, der in Wuppertal steht, vernichtet - das ist politisch so gewollt.
  • Die technische Sicherheit: Hans-Jürgen Hoppe bekommt häufiger Besuch von Bürgern oder geht bei ihnen vorbei - oft Leute, bei denen schon mal eingebrochen wurde, und die ihre Fenster und Türen nun sicherer machen wollen. Wer will, darf hier selbst mal mit einem Schraubenzieher ein schlecht gesichertes Fenster aufhebeln. Dreimal angesetzt, ist es nach ein paar Sekunden schon offen. Hätte das mal eine Pilzkopfverriegelung gehabt. So mancher Schutzbeschlag, eine Metallstange oder ein neuer Zylinder macht es einem Einbrecher richtig schwer. Bei Verbundglas hat er noch nicht mal eine Chance, mit einem Stein die Scheibe einzuschlagen. Wer will, kann seinen Schmuck oder das wertvolle Fotoalbum ruhig zu Hause aufbewahren. Am besten aber in einem mindestens 200 Kilo schweren Tresor, der im Boden verankert wird. Hoppes Tipps können kostspielig werden, sind aber Gold wert, um Schlimmeres - Einbrecher daheim - zu vermeiden. Die Beratung ist allerdings kostenlos.
  • Die Leitstelle: Wer die 110 anruft, landet bei Polizeihauptkommissar Gerd Peter oder einem der weiteren fünf Kollegen der Schicht. Drei Schichten werden rund um die Uhr gefahren, dafür sind 34 Beamte im Team. Peter will den Leuten ihre Hemmung nehmen, bei Unfällen oder verdächtigen Beobachtungen den Notruf zu wählen. "Wir wollen, dass sie anrufen, und wollen die Informationen haben." Er hat die Erfahrung gemacht, dass Anrufer oftmals schockiert und außer sich sind. Etwa, wenn es auf der Straße mal wieder gekracht hat. "Das ist für die Menschen eine totale Ausnahmesituation. Viele vergessen dann auch, ihren Namen zu nennen." So müssen die Polizisten Einfühlungsvermögen, Menschenkenntnis und vor allem Geduld haben. Häufig werden Leute, die etwa einen Einbrecher melden, am Telefon gehalten, bis die Streife vor Ort eintrifft. Einfach, damit sie sich in ihrer Angst nicht hilflos und verlassen fühlen.
  • Doch die Einsatzleitstelle koordiniert auch die Streifenwagen, ist per Telefon, Funk, E-Post zu erreichen und nutzt das Internet. "Wir sind das Informationsherz des Präsidiums. Hier läuft alles zusammen", sagt Peter, der an seinen vier Bildschirmen alle laufenden Einsätze abfragen kann. Im Spätdienst könne es da schon mal richtig stressig werden. Da liefen für die sechs Kollegen dann manchmal 180 und mehr Einsätze auf.
  • Der Verkehrsdienst: Die 27 Beamten um Knut Schmidt schwärmen regelmäßig aus dem Präsidium aus. Zum einen wollen sie Raser aus dem Verkehr ziehen, um die Zahl der Unfälle, etwa vor Schulen oder Altenheimen, zu reduzieren. Dabei kommt auch die sogenannte "eso"-Technik zum Einsatz, die Temposünder sogar in einer Kurve aufspüren kann. Mehrere hintereinander angeordnete Bewegungsmelder messen dabei, wie lange ein Auto oder Motorrad braucht, bis es an ihnen vorbeigerauscht ist. Daraus wird die Fahrgeschwindigkeit errechnet.
  • Die beiden Messfahrzeuge sind immer zu zweit besetzt, etwa mit Detlef Hambuch und Holger Liczner. So können sie, wenn nötig, auch schnell mal zu einer Fahndung abberufen werden. So ist der Verkehrsdienst bei Eskorten, Verkehrsgefahrgut und Schwertransporten dabei oder kontrolliert Lastwagen. "Es geht immer darum, dass es weniger schwere Unfälle gibt", sagt Schmidt, dessen Team auch bei der Begleitung von Radrennen oder im Karneval seine Arbeit tut.
  • Die Diensthunde: Während Hündin Jola einen Täter schon gestellt hat, zeigt nun Rocco, was er für eine Spürnase hat. Sprengstoff und Munition sind seine Spezialitäten, wie Herrchen Helmut Kösling in der Werkstatt hinter dem PP-Hauptgebäude zeigt. Ruck, zuck findet der Schäferhund eine Schreckschusspistole unter einem Waschbecken und eine Dose mit Platzpatronen an einem Kleintransporter. Wie in der Realität: Da werden nämlich nach Bank- oder Raubüberfällen Waffen oft weggeworfen, oder nach Schüssen fehlen die Hülsen.
  • "Die Hunde lernen das über einen ausgeprägten Spieltrieb", sagt Trainer Lutz Engel. Da Munition 23 Grundstoffe hat, müssen Herrchen und sein Hund für 70 Tage zur Ausbildung. 50 Tage dauert es für die Rauschgifthunde, da man es hier nur mit acht Grundstoffen zu tun hat. Der Geruch der Stoffe ist laut Engel bereits nach 14 Tagen gespeichert. Der Anreiz und die Belohnung für die Tiere: Sie verharren beim Fund, und nach dem Druck auf ein Klickgerät dürfen sie dann mit einem Ball oder Stock spielen. "Für den Hund ist das nach der Suche das Größte", sagt Engel, der genau erkennt, wie sein Liebling reagiert, ihn regelrecht lesen kann.
  • Wie Rocco ist auch Jola schon drei Jahre im Polizeidienst, geht abends mit ihrem Herrchen - alles ausgeprägte Tierliebhaber - nach Hause. Auch für sie ist es ein Leichtes, Tütchen mit Kokain und Marihuana zwischen Hebebühne und Werkbank aufzuspüren. "Ganz kleine Anhaftungen reichen da schon aus", sagt Uwe Gielow zum empfindlichen Geruchssinn seiner Jola. So hat denn auch Rocco schon so manche Waffe entdeckt, nach der Polizisten lange hätten suchen müssen. Die werden dann gut verpackt und gehen an die Spurensicherung. Ein neuer Einsatz für "CSI Bonn".

Das Polizeipräsidium

Das Präsidium mit einer Nutzfläche von 20.000 Quadratmetern wurde 2005 gebaut und im Oktober 2006 von 850 Mitarbeitern bezogen. Im Haus befindet sich die Kfz-Werkstatt für den Fuhrpark - insgesamt 296 Fahrzeuge plus 45 Dienstfahrräder und ein Traktor. Im Zuständigkeitsbereich Bonn, linksrheinischer Rhein-Sieg-Kreis, Königswinter und Bad Honnef leben 500.000 Menschen. Weitere Informationen auf www.bonn.polizei.nrw.de.

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