Rebellion in Kaserne "Ein Putsch ist im Gange": Schwere Turbulenzen in Venezuela

Caracas · Venezuelas Staatschef Maduro treibt den befürchteten Umbau des Landes zur sozialistischen Diktatur voran. Eine Widersacherin stellt er kalt. Für Unruhe sorgt eine Rebellion in einem Militärkomplex.

 Anwohner schreien nahe der Kaserne Paramacay in Valencia Parolen gegen Maduros Regierung.

Anwohner schreien nahe der Kaserne Paramacay in Valencia Parolen gegen Maduros Regierung.

Foto: Juan Carlos Hernandez

Die befürchtete Errichtung einer Diktatur hat in Venezuela offensichtlich eine Rebellion gegen den sozialistischen Staatschef Nicolás Maduro ausgelöst.

Bei der sogenannten "Operation David" griff eine bewaffnete Gruppe angeblich abtrünniger Soldaten den Militärkomplex Paramacay in Valencia, 170 Kilometer westlich von Caracas, an. Der Angriff konnte nach Militärangaben niedergeschlagen werden. Bei Schusswechseln sei eine Person gestorben, sieben Angreifer seien festgenommen worden, hieß es.

Die Sozialisten sprachen von einer "Terror-Attacke". Ziel sei die Einnahme des Waffenlagers gewesen. Die genauen Umstände waren aber unklar. Das Ereignis könnte ein Indiz sein, dass es im Militärapparat Risse gibt. Anführer soll ein abtrünniger Militär mit Namen Juan Caguaripano gewesen sein. Er war seit 2014 untergetaucht, weil er damals schon seinen Widerstand gegen Maduro erklärt hatte.

In einem im Internet verbreiteten Video mit bewaffneten Soldaten, dessen Authentizität unklar war, sagte er, es gehe um einen Aufstand, "um die völlige Zerstörung des Landes zu verhindern" . Er warf Maduro vor, eine "mörderische Tyrannei" geschaffen zu haben.

Einer der führenden Sozialisten, Diosdado Cabello, sagte, im Rest des Landes gebe es keine Aufstände. "Absolute Ruhe bei den anderen Militäreinheiten." Dazu gab es aber widersprüchliche Angaben. Unklar war, wie viele Soldaten beteiligt waren. Auf Flugblättern soll die Bevölkerung zur Unterstüzung des Aufstandes aufgerufen worden seien.

Zuvor hatte am Samstag die scharf kritisierte neue Verfassungsgebende Versammlung in der ersten Arbeitssitzung Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diáz abgesetzt. Ihr Amtssitz war zuvor vom Militär umstellt worden, sie darf das Land nicht verlassen. "In Venezuela ist ein Putsch gegen die Verfassung in vollem Gange", sagte Ortega. Die 59-Jährige hatte mit Einsprüchen versucht, Maduro zu stoppen.

Die Opposition reagierte resigniert, nach über 120 Tagen mit Protesten gingen am Wochenende kaum noch Menschen auf die Straßen. Die Versammlung soll nicht nur die Verfassung reformieren, sondern hat als übergeordnete Staatsgewalt große Entscheidungsbefugnisse. Die Wahl der 545 Mitglieder war von Betrugsvorwürfen überschattet. Maduro preist das Gremium als Vertretung des Volkes. Darin sitzen aber fast nur Anhänger der Sozialisten, darunter Maduros Frau und sein Sohn.

Eigentlich hätte nur das von der Opposition dominierte Parlament Ortega absetzen können, aber die Versammlung ist an dessen Stelle getreten. Ortega war seit 2008 im Amt und lange Erfüllungsgehilfin, auch bei Anklagen gegen Oppositionelle. Sie wandelte sich zur Kritikerin, weil sie einen Putsch gegen die unter Hugo Chávez entwickelte Verfassung mit klarer Gewaltenteilung sieht. Soldaten versperrten ihr an ihrem letzten Tag im Amt den Zugang zu ihrer Behörde, sie flüchtete am Ende mit Leibwächtern auf einem Motorrad.

Zum Nachfolger wurde ein Vertrauter Maduros, Tarek Willian Saab, ernannt. Damit ist die bisher unabhängige Anklagebehörde fest in Hand der Sozialisten. Maduro will schärfer gegen die Opposition vorgehen.

Das sei der "erste diktatorische Akt" dieses illegitimen Gremiums, sagte Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos im Bezug auf die Verfassungsversammlung. Die Mitgliedschaft Venezuelas im südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur wurde wegen Verstößen gegen demokratische Prinzipien dauerhaft auf Eis gelegt.

Als nächstes soll eine "Wahrheitskommission" die Todesfälle bei den Protesten gegen Maduro aufarbeiten. Die Präsidentin der Versammlung, Ex-Außenministerin Delcy Rodríguez, machte deutlich, dass "die Rechte" zur Rechenschaft gezogen werden solle. Die Immunität bisheriger Abgeordneter könnte aufgehoben werden. Maduro macht die Opposition auch für die mehr als 120 Toten verantwortlich. "Nichts und niemand wird die neue Geschichte verhindern. Wir werden siegen", sagte er.

Mehrere Staaten drohen mit Sanktionen, die USA etwa halten sich einen Öl-Importstopp offen. Venezuela hat mit über 300 Milliarden Barrel die größten Ölreserven der Welt, aber die Wirtschaft liegt brach, es gibt eine schwere Versorgungskrise, viele Menschen wollen flüchten.

Überraschend in den Hausarrest entlassen wurde der Chef der Partei Voluntad Popular, Leopoldo López. Er war erst am Dienstag vom Geheimdienst abgeholt und in ein Militärgefängnis gebracht worden. López war zu fast 14 Jahren Haft verurteilt worden, weil er 2014 zu Oppositionsprotesten aufgerufen hatte, bei denen 43 Leute starben.

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