DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck Ellen Thiemann kämpft noch gegen das Unrecht

BAD NEUENAHR · Auch mit 77 Jahren ist die Kölner Journalistin Ellen Thiemann kompromisslos und unbequem. Die "Staatsverbrecherin", 1972 wegen geplanter Republikflucht verhaftet und 23 Monate im berüchtigten DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck inhaftiert, lässt nicht locker in ihren Bemühungen, die Machenschaften der Stasi anzuprangern.

 Der Schilderung der bewegenden Lebensgeschichte von Ellen Thiemann (2.v.l.) hören die Are-Schüler aufmerksam zu.

Der Schilderung der bewegenden Lebensgeschichte von Ellen Thiemann (2.v.l.) hören die Are-Schüler aufmerksam zu.

Foto: Martin Gausmann

Auch nicht im 25. Jahr nach der Wiedervereinigung und im 40. Jahr nach ihrer Entlassung aus der Hölle. Sie weilte zum zweiten Mal im Are-Gymnasium Bad Neuenahr, um 400 Oberstufenschülern anlässlich des Are-Forums ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Mitgebracht hatte sie ihre Bücher "Stell dich mit den Schergen gut", "Der Feind an meiner Seite" und ihr neuestes Werk "Wo sind die Toten von Hoheneck?".

Forums-Leiterin Ilka Dahmanns brachte eine aufmerksame Hörerschaft mit, denn viele der Schüler hatten an einer Bildungsfahrt nach Berlin teilgenommen und das ehemalige Gefängnis in Hohenschönhausen besucht. "Dort saß ich in U-Haft, von da ging es nach Hoheneck."

Der Alltag dort: Schlafentzug als Folter, mit 42 Frauen in einer Zelle, täglich 16-stündige Zwangsarbeit. "Der Gipfel der Perfidie: Bis heute werden zahlreiche belegbare Selbstmorde vertuscht." Das Gefängnis hatte sie auf sich genommen, um nach dem durch Verrat gescheiterten Fluchtversuch ihren elfjährigen Sohn und ihren Mann, den Spitzensportler und Sportjournalisten Klaus Thiemann, zu schützen.

Nach ihrer Entlassung im Mai 1975 und ihrer Scheidung wurde sie freigekauft und verließ mit ihrem Sohn die DDR. Der Schock folgte: Als sie 1992 ihre Stasi-Akten einsah, entdeckte sie, dass ihr Ehemann als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) "Mathias" die eigene Familie verraten hatte.

Der Spiegel schrieb 1999 vom "größten Stasispitzel unter den DDR-Sportredakteuren". Weil Ellen Thiemann keine Ruhe gibt, hat sie auch keine: "Es ist nicht vorbei. Sie haben mich nicht gebrochen und das macht sie wütend. Ich nenne im neuen Buch 19 IM-Namen. Schlägertypen lauerten vor meinem Haus, ich bin schon angegriffen, meine Wohnung mehrfach verwüstet worden und im Internet hetzt man, ich gehöre in eine Psychoklinik."

"Würden Sie die Schuld wieder alleine auf sich nehmen?", wollte ein Schüler wissen. "Ja, wegen meines Sohnes. Aber ich würde lieber in einer Diktatur leben, als noch mal ins Gefängnis Hoheneck zu gehen."

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