Von der Produktidee zum fertigen Gummibärchen „Es ist wie auf einer Bühne“

Bonn · Produktdesignerin Petra Wrede verrät, wie neue Figuren entstehen und warum sie Vampire so gerne mag.

Von der Produktidee zum fertigen Gummibärchen: „Es ist wie auf einer Bühne“
Foto: HARIBO

„Sauerwellen“ oder „Frohhalme“ sind keineswegs Rechtschreibfehler. Bei Worten wie diesen zuckt Petra Wrede deshalb auch mit keiner Wimper. Seit 33 Jahren ist die Produktdesignerin bei Haribo dafür verantwortlich, für solche Produktideen passende Formen zu gestalten. „Früher rief Dr. Riegel schon mal aus dem Auto mit solchen Einfällen bei mir an und erwartete nach der Rückkehr ins Büro dann erste Entwürfe“, sagt die Bonnerin, die bis zum Umzug der Firmenzentrale in die Grafschaft selbst immer mit dem Fahrrad zur Arbeit gekommen ist.

Im Studium für Objektdesign in Münster habe sie so nüchterne Gegenstände wie Lichtschalter entworfen, erzählt Wrede. Da war sie heilfroh, als eine Freundin sie nach dem Abschluss zu Haribo holte. „Hier sind die Entscheidungswege kurz und die kreativen Möglichkeiten groß“, sagt sie. Und was hat Petra Wrede nicht schon alles geformt: Köpfe von Helmut Kohl und Rita Süssmuth nach den Vorlagen der Puppensendung „Hallo Deutschland“. Ein Mobiltelefon mit ihrer eigenen Büronummer darauf. Oder die Vampire mit Lakritzkörper und Fruchtgummiflügeln. „Das war im bestehenden Sortiment eine ganz neue Komponente, die sich dauerhaft etabliert hat“, freut sich die 60-Jährige besonders. Sie kam darauf, weil ihr Chef sich immer ein Stück Lakritz und einen Goldbären zusammen aus der Color-Rado-Tüte gegriffen hatte. Offenbar war er nicht der Einzige.

Am Anfang der Entwicklung steht die Recherche, heute unterfüttert durch eine solide Marktanalyse. In ihren ersten Jahren ist Petra Wrede dazu oft in die Kinderbücherei in Kessenich gefahren. „Unsere Produkte sollen natürlich fröhlich aussehen. Da hilft das Kindchen-Schema mit großen Augen und Köpfen“, verrät sie. Selbst dem altgedienten Goldbären hat Wrede vor Jahren in diesem Sinne die etwas grummeligen Gesichtszüge zu einem Lächeln hochgezogen. Konfekt und Süßigkeiten für Erwachsene kommen dagegen etwas nüchterner daher.

Fingerspitzengefühl verlangen auswärtige Märkte. Viele Niederlassungen gestalten deshalb ihre neuen Produkte inzwischen selbst. Noch heute sind Wrede und ihre Kollegin aber auch für die Produktinnovationen für den asiatischen Markt zuständig. „Wir wollten in Südkorea auch den Goldbären einführen“, erinnert sich Wrede. Ein kultureller Fauxpas, denn Bären sind dort heilig. „Stattdessen haben wir dann Früchte genommen, die gehen immer“.

Heute sucht Wrede im Internet nach passenden Bildvorlagen. Koala, Ananas oder saure Saurier wie in diesem Jahr – alles wird zuerst am Computer als Modell gezeichnet und dann von einer CNC-Fräse aus einem Gipsblock geschält. Gerne nimmt die Designerin anschließend mit dem Schälmesser von Hand den letzten Schliff vor. Ein 3-D-Scanner verwandelt die Daten dann wieder in ein digitales Modell.

Hat der Prototyp grünes Licht von den Entwicklern, aus dem Marketing und der Geschäftsleitung erhalten, werden mehrere Exemplare in Originalgröße geformt und auf ein Brett geklebt. In einen Kasten mit Maismehl gedrückt, entstehen so die ersten Negativformen für handgegossene Muster. „Wir probieren jedes Produkt vorher händisch aus“, sagt Wrede. Schließlich müssen die Formen auch in der Massenfertigung funktionieren. In Lakritz lasse sich fast alles gut sichtbar abbilden. Bei Schaumprodukten oder gezuckerter Ware müsse sie viel gröber vorgehen. „Es ist wie auf einer Bühne. Man muss das Wesentliche übertreiben, damit es auch in jedem Fall gesehen wird“.

Ob Goldbär, Doppelkirsche oder Vampir – die Produktionsmaschinen sind bei rund 1000 Produkten weltweit immer dieselben. Mit jeweils 600 Formen bestückt, können sie fast jede Idee in eine Süßigkeit umsetzen. Deshalb kann es manchmal auch ganz schnell gehen. „Bei einem eiligen Auftrag oder einem kurzfristigen Trend können wir ein Produkt in zwei Wochen herstellen“, sagt Wrede. So gab es zum Bonner Rosenmontagszug 2020 auch eine Sonderedition mit Note, Notenschlüssel und den Ziffern 2 und 0 zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens in den Geschmacksrichtungen Erdbeere, Himbeere, Apfel, Orange, Zitrone und Ananas.

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