Interview mit Johann Lafer „Es muss nichts Aufwendiges sein“

Starkoch Johann Lafer verrät, warum er einfache Gerichte liebt, fast ganz auf Fleisch verzichtet und was sein größtes Missgeschick als Profikoch war

Vielen Menschen fehlt das Basiswissen fürs Selberkochen. Der ehemalige Sternekoch Johann Lafer zeigt den Interessierten, wie man eine Frikadelle oder ein Rührei zubereitet

Vielen Menschen fehlt das Basiswissen fürs Selberkochen. Der ehemalige Sternekoch Johann Lafer zeigt den Interessierten, wie man eine Frikadelle oder ein Rührei zubereitet

Foto: Mike Meyer

Johann Lafer ist einer der umtriebigsten Starköche in Deutschland. Seine Restaurants waren mehrfach sterneprämiert, er war Dauergast auf den TV-Bildschirmen, schrieb Bücher und vertreibt unter seinem Namen Küchenzubehör. Die Bonner können den gebürtigen Österreicher demnächst live erleben. Mit Lafer sprach Kai Pfundt.

Vergangenes Jahr sind Sie offiziell in Ruhestand gegangen. Aber so richtig stimmt das nicht, oder?
Johann Lafer: Man kann ja nicht abrupt von Hundert auf Null gehen. Nach 45 Jahren im Beruf sagt man nicht: Jetzt ist mir alles egal. Ganz im Gegenteil. Ich bin sehr glücklich, noch meine Kochschule zu haben und in Veranstaltungen aufzutreten. Und mein Engagement für den Nachwuchs, zum Beispiel mit dem Next Chef Award ist mir extrem wichtig.

Sie brauchen den Kontakt zum Publikum?

Lafer: Absolut. Bei den Live-Veranstaltungen spüre ich, dass die Besucher einfach Spaß haben, mir beim Kochen zuzuschauen. Wenn die Zuschauer am Ende so eines Abends applaudieren, dann ist das etwas ganz Besonderes.

Das hört sich so an, als sei das Kochen für Sie viel mehr als nur ein Beruf, sondern eine Leidenschaft.

Lafer: Auf jeden Fall. Zu allererst esse ich tatsächlich leidenschaftlich gerne. Ich möchte in meinem Leben nicht mehr schlecht essen. Das bedeutet nicht Luxus, sondern dass ich nur mit hochwertigen Zutaten arbeite, die ich sorgfältig zubereite. Auch wenn es nur ein Spiegelei ist oder eine Gemüsesuppe. Gerade eben koche ich für heute Mittag eine schöne Paprikasuppe.

Es muss nicht unbedingt die aufwendige Sterneküche sein?

Lafer: Im Gegenteil. Wir haben heute ein bis zwei Generationen, denen ein Basiswissen für die Küche fehlt. Die haben in ihrer Kindheit und Jugend von den Eltern einfach nicht gelernt, wie man ein Rührei oder eine Frikadelle zubereitet.

Was Sie zum Beispiel mit ihren Youtube-Kochvideos ändern wollen?

Lafer: Ich will die Zuschauer an die Grundprinzipien des Kochens heranführen. Wenn ich Schritt für Schritt und zum Nachmachen zeige, wie man ein Schnitzel brät, bekommt die eine oder der andere hoffentlich Lust, das selbst zu probieren. Und natürlich hoffe ich, dass möglichst Viele neugierig werden, was man in der Küche außerdem anstellen kann.

Also eine Koch-Grundschule?

Lafer: Diese einfachen Rezepte haben die besten Einschaltquoten. Die meisten Menschen mögen die unkomplizierte Küche, vielleicht auch weil sie sie an ihre Kindheit erinnert. Außerdem finde ich es wichtig in einer Zeit, in der alles teurer wird und viele Menschen sparen müssen, Ideen für einfache Gerichte mit preiswerten Zutaten zu präsentieren.

Ist das ein Trend, die einfache, aber authentische Küche?

Lafer: Absolut. Die Gäste, aber auch die Großkunden wollen nicht mehr die hochgestochene Landschaftsmalerei auf dem Teller, sondern drei Elemente, die aber hervorragend schmecken. Sie wollen authentische, intensive Aromen.

Wie kochen Sie für Ihre Familie?

Lafer: Wir essen sehr gesund. Ich selbst habe mich auf eine weitgehend pflanzliche Ernährung umgestellt. Damit habe ich meine Arthrose besiegt, mir geht es körperlich dadurch einfach besser. Abends eine gut gewürzte Linsensuppe mit frischen Kräutern – ich liebe diese naturnahen Gerichte. Für uns muss es wirklich nichts Aufwendiges sein.

In seinem Element: Lafer beim Kochen vor Publikum.

In seinem Element: Lafer beim Kochen vor Publikum.

Foto: Nathalie Bothur

Können Sie sich vorstellen, ganz auf Fleisch zu verzichten?

Lafer: Ich bin sehr nahe dran. Das hätte ich mir früher auch nicht vorstellen können, das können Sie mir glauben.

Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie Fleisch essen?

Lafer: Es muss beste Bioqualität sein und ich muss sicher nachvollziehen können, wo es herkommt. Am liebsten ist mir, wenn ich die Züchter und Bauern persönlich kenne. Die Lebensmittel kosten dann zwar ein paar Euro mehr, sind aber ein besonderer Genuss.

Ist Ihre Leidenschaft fürs Kochen auch manchmal mit Leiden verbunden? Was war ihr schlimmstes Missgeschick am Herd?

Lafer: Es gab viele. Das schlimmste war ein After-Dinner nach einem Konzert eines weltberühmten Orchesters. Es sollte Rehrücken mit Pfifferlingsknödeln geben. Aber als wir die Knödel kochten, lösten sie sich auf und im Kessel breitete sich eine Pilz-Brot-Masse aus. Kein schöner Anblick. Was tun? Wir haben die Masse wie ein Omelette gebraten, gewürfelt und mit Semmelbrösel und Butter geröstet. Nach dem Menü kamen mindestens zehn Leute, für die die Pfifferlinge das Beste am ganzen Menü waren.

Manchmal muss man Glück haben im Berufsleben…

Lafer: …ja, und improvisieren können. Aber ernsthaft: Kommende Woche koche ich in Hamburg beim Süßwarenkongress ein Menü für 400 Leute – das ist wie ein Hochseilakt ohne Netz.

Wenn wir schon von Pannen sprechen: Gab es einen Höhepunkt, das perfekte Dinner sozusagen?

Lafer: Ja, ich habe einmal bei der UN-Vollversammlung für Klaus Kinkel gekocht, damals der deutsche Außenminister. Tags drauf kamen die Leute des neuseeländischen Ministerpräsidenten und fragten, ob ich nicht auch einmal Lust hätte, für ihn in Neuseeland ein Menü zuzubereiten.

Und dann sind sie 25 Stunden auf die andere Seite der Erde geflogen?

Die Fernsehköche Johann Lafer (l) und Horst Lichter 2008 in Köln.

Die Fernsehköche Johann Lafer (l) und Horst Lichter 2008 in Köln.

Foto: Bernd Thissen

Lafer: Nein, ich war ein junger Koch, noch grün hinter den Ohren. Aber eine größere Anerkennung geht fast nicht.

Sie haben mit vielen berühmten Küchenchefs zusammengearbeitet. Wer ist Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Lafer: Eckart Witzigmann ist eindeutig mein größtes Vorbild, wenn es um klassische Küche geht. Ich besuche aber auch heute noch ganz viele Chefs regelmäßig, die in der Küche andere Wege gehen. Da gibt es einige, die sensationell gut kochen.

Sie besuchen gezielt Restaurants bekannter Köche, auf die Sie neugierig sind?

Lafer: Ja klar. Als Koch muss man in René Redzepis Noma in Kopenhagen gegessen haben, dem besten Restaurant der Welt. Auf meinem Plan steht als nächstes das Frantzén in Stockholm. Das Restaurant sorgt im Moment im Kollegenkreis für Furore, das will ich sehen und auf der Zunge schmecken, um mir ein Urteil zu bilden.

Wie ist eigentlich die Arbeitsatmosphäre in Profiküchen? Wie auf dem Drillplatz oder eher weinselig entspannt?

Lafer: Früher hat da schon eine gewisse Stringenz geherrscht. Ich selbst habe den Mitarbeitern manchmal wahnsinnig viel abverlangt, weil ich selbst enorm unter Druck stand. Das geht heute nicht mehr, weil man niemanden findet, der so arbeiten will.

Der Kasernenton in der Küche ist out?

Lafer: Ja, und das ist auch gut so. Wenn man die Leute motiviert und ordentlich behandelt, ist so viel mehr möglich, gerade in der Gastronomie. Natürlich müssen die Gäste mitspielen und bereit sein, angemessene Preise zu zahlen oder entsprechende Trinkgelder dazulassen.

Ostern steht vor der Tür. Was steht zum Fest bei Familie Lafer auf dem Tisch – und wer nimmt an ihm Platz?

Lafer: Wir haben uns mit Freunden in Wien verabredet und gehen an einem Abend ins Restaurant eines befreundeten Kochs, den anderen Abend feiern wir privat. An diesem Osterfest sind wir nicht Gastgeber, sondern lassen uns bekochen.

Sie haben Kochbücher geschrieben und eine Autobiografie. Was kommt als Nächstes?

Lafer: Ich will den Leuten das deutsche Butterbrot wieder schmackhaft machen, und zwar live und vor Ort. Ich will zeigen, was mit diesem Klassiker alles möglich ist, wenn man ausgezeichnetes Brot und ausgesuchte Auflagen verwendet und in die Zubereitung Liebe und Sorgfalt steckt – und alles zu bezahlbaren Preisen.

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