Borat

Sacha Baron Cohen bringt mit seinem Film alle gegen sich auf: Juden und Homosexuelle, Kasachen, Amerikaner, Feministinnen, Sinti und Roma - Das Kinopublikum kommt auf seine Kosten - aber nur mit dem Original

Borat
Foto: Fox

Als der englische Komiker Sacha Baron Cohen neulich bei Stefan Raab im Fernsehen war, küsste er den TV-Mann zur Begrüßung auf den Schritt - "weil du ein Mann von Ehre bist". Cohen war in diesem Moment nicht Cohen, sondern sein Alter Ego Borat Sagdiyev. Dieser Borat ist der spillerige Held in Larry Charles' gleichnamiger Kino-Komödie.

Eine bessere hat es seit Ewigkeiten nicht gegeben. "Borat", versprach das englische Filmmagazin "Empire" seinen Lesern, ist so witzig, dass "die Hälfte der Blutgefäße in eurem Gesicht explodieren wird". Vor Lachen, versteht sich.

Nicht jeder ist dem Werk so aufgeschlossen. Sacha Baron Cohen mag ein Komiker mit Cambridge-Examen sein. Seine Figur, der fiktive kasachische Fernsehreporter Borat ist aber sexistisch und antisemitisch (Cohen ist Jude), vulgär und schwulenfeindlich, ein rotes Tuch für Feministinnen, Tierschützer, Sinti und Roma. Und für das offizielle Kasachstan.

Ein Sprecher des kasachischen Außenministeriums bezeichnete Borats Verhalten als "unvereinbar mit der Ethik und dem zivilisierten Auftreten der Menschen Kasachstans". Borats Antwort: Ja, stimmt, Kasachstan sei in der Gegenwart angekommen. Seit 2003 dürften Frauen auch innerhalb von Bussen mitreisen, und Homosexuelle müssten keine blauen Mützen mehr tragen.

Im Film stellt uns Borat sein Dorf vor, es sieht aus wie ein große Müllkippe. Da wohnen unter anderem der Dorf-Vergewaltiger Urkin, Borats blonde Schwester (beste Prostituierte im Sprengel) und die pralle Frau des schmalen Helden. Einmal im Jahr treiben sie "den Juden" - eine groteske Pappfigur - durchs Dorf.

Die Geschichte des Films "Borat" ist einfach. Der Fernsehreporter wird von seiner Regierung in die US und A geschickt, um eine Dokumentation über das großartigste Land der Welt zu drehen. Doch bald will Borat Sagdiyev nur noch eins: Pamela Anderson treffen und heiraten. Also macht er sich mit seinem fetten Partner Azamat (Ken Davitian) von New York aus auf den Weg nach Kalifornien: Baywatch ruft.

Borat trifft viele Menschen auf seiner Reise durch die USA. In einer Mischung aus Realsatire, Theater-Spiel und Performance konfrontiert er zum Beispiel eine Gruppe von feministischen Veteraninnen mit seinem Sexismus; sie sind entgeistert.

Reiche Leute schockiert er mit seiner Vulgarität, eine schwarze Jugendgang mit seiner naiven Unverfrorenheit. Im Waffenladen fragt er an, mit welcher Waffe man am besten auf Juden schieße - nimm eine 38er, schlägt der Verkäufer ungerührt vor. In New York rennt er den Menschen hinterher, um sie zu küssen - sie drohen ihm Prügel an.

Die Leute, denen er sich aufdrängt, geben viel von ihren Einstellungen, ihrer Persönlichkeit preis. Vorurteile kommen zum Vorschein, Ressentiments, Rassismus. Es sieht aus, als hätte Michael Moore den Amerikanern den Spiegel vorgehalten.

Sacha B. Cohen, der als Fernsehfigur Ali G Kultstatus genießt, kann aber auch Slapstick. Es gibt Szenen, über die man Tränen lacht. Dem Film ist dabei kein Detail zu peinlich, keine Pointe zu billig oder schrill, um auf sie zu verzichten. Hinter dem Klamauk versteckt sich aber ein todsicherer Sinn für Timing und ein höllenschwarzer Humor.

Die sprachliche Struktur des boratschen Kasachstan-Englisch ist hinreißend komisch und nicht zu übertreffen. Schon gar nicht von einer deutschen Synchronisation, die dem Ganzen leicht depperte und verharmlosende Untertöne hinzufügt. Englisches Original mit deutschen Untertiteln ist das Gebot der Stunde.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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