Neu im Kino Darum geht es in dem preisgekrönten Film Foxtrot

Bonn · Der Sohn von Michael und Dafna Feldmann ist im Militärdienst gefallen. Sein Codename: Foxtrot. Um dieses kleine, unbedeutende Detail drehen sich Erinnerungen, Episoden und Gefühle - bis zum endgültigen Abschied.

 Bestürzende Todesnachricht: Yonaton Shiray als Sohn Jonathan in „Foxtrot“.

Bestürzende Todesnachricht: Yonaton Shiray als Sohn Jonathan in „Foxtrot“.

Foto: epd

Schritte. Ein Finger drückt auf die Klingel. Die Tür öffnet sich. Die Kamera blickt in das Gesicht einer Frau, in deren Augen sich innerhalb von Sekundenbruchteilen das blanke Entsetzen spiegelt, bevor ihr Körper ohnmächtig aus dem Bild sackt. Die Uniformierten legen die Bewusstlose aufs Bett, injizieren das Beruhigungsmittel und richten sich an den Mann, der wie erstarrt im Flur steht. „Herr Feldman, es tut uns sehr leid, Jonathan Feldman ist heute Nacht im Einsatz gefallen“ sagt der Beauftragte der israelischen Armee und seine Kollegen beginnen mit dem Betreuungsprozedere.

Das Wichtigste sei jetzt, regelmäßig zu trinken. Ein stündlicher Handy-Alarm wird eingerichtet, der den verstörten Vater daran erinnert, ein Glas Wasser zu sich zu nehmen. Aber während seine Frau Dafna (Sarah Adler) sediert im Schlafzimmer liegt, steigt in Michael (Lior Ashkenazi) langsam Wut auf. Wie schon in seinem Debüt, dem mehrfach ausgezeichneten „Libanon“, beschäftigt sich Samuel Maoz auch in „Foxtrot“ mit den Auswirkungen der militärischen Politik Israels auf die Psyche seines Landes.

Enorme Sogwirkung

Mit enormer Sogwirkung zeigt der Film im ersten Drittel die traumatischen Folgen elterlichen Verlusts, die sich auch dann nicht revidieren lassen, als sich der Tod des Sohnes fünf Stunden später als Irrtum herausstellt. Daraufhin springt der Film in eine ganz andere Welt zu dem Grenzposten, an dem Jonathan Feldman seinen Dienst verrichtet.

Die jungen Soldaten langweilen sich zu Tode in der verlassenen Gegend, wo die Schranke hauptsächlich für ein Kamel geöffnet wird, das sich zwischen den Fronten hin und her bewegt. Aber als bei einer Kontrolle ein granatenförmiger Gegenstand aus dem Auto rollt, führen die antrainierten Reflexe direkt in ein Massaker.

Ausgezeichnet mit dem Silbernen Löwen

Ausgezeichnet mit dem Silbernen Löwen in Venedig sorgte „Foxtrot“ in Israel für hitzige Diskussionen. Während die dortige Filmakademie die Antikriegsparabel mit Preisen überhäufte, verunglimpfte Kulturministerin Miri Regev den Film als „Beitrag zur Hetze der jungen Generation gegen die moralischste Armee der Welt“.

Trotz seiner politischen Bezüge hat Maoz seinen Film nicht als realistisches Werk, sondern als stilisierte Allegorie angelegt. Jeden Tag lassen die Soldaten in ihrer Unterkunft eine Konservendose von einem Ende zum anderen rollen, um den zunehmenden Neigungswinkel des Containers zu messen, der allmählich im Schlick versinkt. Nach dem Massaker rollt am Morgen ein Bulldozer an, gräbt eine riesige Grube aus, hebt das Auto samt ermordeter Insassen hinein und schüttet alles wieder zu, ohne Spuren zu hinterlassen.

Das sind Kinobilder von nachhaltiger Wirkung, die auf sehr grundlegende Weise den Zustand eines Landes beschreiben, dessen andauernder Selbstverteidigungsmodus immer neue Traumata generiert. Vom dichten Psychodrama bis zur Militärgroteske verbindet Maoz dabei verschiedenste Stilmittel, mit denen politische Absurditäten genauso beschrieben werden wie deren tragische und ganz persönliche Folgewirkungen.

Das Drama des israelischen Regisseurs Samuel Maoz gewann unter anderem bei den Filmfestspielen von Venedig den Grand Prix der Jury (Silberner Löwe) und lief zudem in Toronto und auf dem Sundance Film Festival. Der preisgekrönte Film läuft täglich im Originalton mit Untertiteln im Kino in der Brotfabrik.

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