Das Ende einer Affäre

Der englische Schriftsteller Graham Greene bekam einmal zwei weiße Mäuse geschenkt, von denen die eine der anderen unablässig zusetzte, sie verfolgte und schließlich fraß. Bald darauf starb sie an Vereinsamung.

"Das ist so gut zum Lachen wie zum Weinen", sagte Greene, "und nicht so weit von dem, was Glück und Unglück der Menschen ausmacht."

In seinem 1951 erschienenen Roman "The End Of The Affair" ("Das Ende einer Affäre") erzählt Greene eine Geschichte von menschlichem Glück und Unglück, die ebenfalls Züge von Obsession, Gewalt und Verzweiflung enthält - und tödlich endet.

Inspiriert von seiner eigenen Affäre mit der verheirateten Amerikanerin Catherine Walston, konstruierte Greene eine - im Leben wie in der Kunst häufig anzutreffende - Dreiecksgeschichte. Indes verlässt die Beziehung zwischen dem Autor Maurice Bendrix und der Beamten-Frau Sarah Miles rasch die trüben Bezirke literarischer Konvention.

Greenes Prosa, wie jetzt auch die Kinoadaption des Romans durch Neil Jordan, besitzt einen metaphysischen Hintergrund. Dies war für Greene eine Grundbedingung von Literatur, andernfalls verlöre der Mensch an Schwerkraft, büßten seine Konflikte den tödlichen Hintergrund ein.

Gott, jener deus absconditus et incomprehensibilis der Theologie, an dem die Menschen verzweifeln können, an dem Greene sich sein Leben lang abarbeitete, ist die heimliche Hauptfigur des Romans - und des Films.

Neil Jordan, Drehbuchautor und Regisseur in einem, war es denn auch daran gelegen, die menschlichen und metaphysischen Dimensionen einer Affäre auszumalen. Jordan wagt mehr als Melodram und Lovestory:

Er sucht und findet die Tragödie von Menschen, die schwach sind, und die Umstände, die sie sich schaffen, übermächtig. Jedoch verhandelt er die Sache mit Gott vor allem in den Bildern, nicht, wie im Roman, in langen imaginären Zwiegesprächen Sarahs mit Gott.

Im London des Jahres 1946 trifft Maurice Bendrix (Ralph Fiennes) den Mann, mit dessen Frau er ein Verhältnis hatte. Jordans Lieblingsschauspieler Stephen Rea irrt als Henry Miles durch die feuchte Nacht: Der Betrogene steht hier im Wortsinn immer im Regen.

Da die Affäre zwischen Bendrix und Sarah, wie der Titel andeutet, ihre Zukunft bereits hinter sich hat, setzt sich Jordans Film im Folgenden wie ein Mosaik zusammen: aus dem ständigen Perspektivwechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

In der Gegenwart empfindet Bendrix nur mehr Rache und Eifersucht, weil er die ehemalige Geliebte an einen anderen verloren glaubt; er, der früher schon auf den Regen eifersüchtig war, weil er Sarah näher kam als er selbst, weiß nicht, dass es Gott ist, dem Sarah unterdessen verbunden ist. Er, sagt sie, habe ihr die Liebe genommen und mit Glauben gefüllt.

Ralph Fiennes, der "Englische Patient", begehrt - wohl auch stellvertretend für den heutigen Zuschauer - gegen die übermächtige Konkurrenz auf. Kaum ein anderer Schauspieler kann in seinen Blicken so viel Entsagung, Schmerz, Rage und Hass ausdrücken.

"Ich hasse dich, als ob du existiertest", bedeutet er seinem himmlischen Widersacher, als er die Beweggründe für Sarahs Hinwendung zu Gott erkennt; sie hier zu nennen, hieße, die entscheidende Pointe des Films zu verraten.

Und keine andere Schauspielerin als Juliane Moore vermag die lange Strecke zwischen Leidenschaft und Religiosität, Sinnlichkeit und Askese so traumhaft sicher zu bewältigen. Das Ende der Affäre ist bereits in den melancholisch ausgeleuchteten Bildern aus der gemeinsamen Vergangenheit Maurices und Sarahs aufgehoben.

Roger Pratts Kamera nimmt gleichsam die Zukunft vorweg, wenn er die Gegenwart abbildet. In der Atmosphäre eines zerbrechlichen Glücks, auf dem immer schon der Schatten des Unglücks lastet, liegt das Einzigartige des Films.

Er bekennt sich, den Zeitläuften trotzend, zu einer literarischen Bildersprache, zu einem poetischen Pathos, dem lärmende Effekte, aufgedonnerte Gefühle fremd sind. Es ist der Stoff, aus dem Meisterwerke sind.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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