Ein Freund von mir

Sebastian Schippers Film ist ein kompaktes, perfekt geschnürtes Kinoerlebnis, das einen Makel hat - es dauert nur 84 Minuten - Daniel Brühl, Jürgen Vogel und Sabine Timoteo sind ein Traumtrio

Ein Freund von mir
Foto: ap

Sonntagnacht im Kölner Cinedom. Mit großem Mediengetöse feiern die beiden deutschen Jungstars Jürgen Vogel und Daniel Brühl ihren Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Der Auftritt in Köln anlässlich der Premiere ihres neuesten Filmes "Ein Freund von mir" ist der sechste innerhalb von zwölf Stunden in ganz Deutschland.

Mit Limousine und Learjet sind die beiden durch die Republik gerast: München, Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln. Damit ist der alte Rekord, den Will Smith in Großbritannien mit "Hitch - Der Datedoktor" aufstellte, Geschichte.

Mit dabei, im Schatten der beiden Sonnyboys, ist Regisseur Sebastian Schipper. Am nächsten Tag bei der Berichterstattung im ZDF wird er die ganze Zeit zu sehen sein, ohne dass einmal sein Name fällt. Noch gehört der Norddeutsche nicht zu den Stars der Branche, selbst im illustren Kreis der X-Film-Regisseure, zu dem Schipper zählt, stehen Namen wie Tom Tykwer, Dany Levi oder Wolfgang Becker im Vordergrund.

"Ein Freund von mir" ist gerade einmal der zweite Film von Sebastian Schipper. Den ersten machte er vor acht Jahren mit "Absolute Giganten", einem Kleinod, das die Kritiker verzückte, aber damals kein Publikum in die Kinos lockte. Dass dürfte sich diesmal schon allein wegen der namhaften Besetzung ändern.

Waren es damals drei Freunde, die beim Kickern und Autofahren Abschied voneinander nahmen, so sind es diesmal zwei Jungs, die auf recht ungewöhnliche Weise Freunde werden. Dabei sind Karl (Daniel Brühl) und Hans (Jürgen Vogel) das klassische "odd couple", zwei Charaktere, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Karl, das Mathe-Genie, kann alles, nur nicht kommunizieren. Deshalb wird der aufstrebende Angestellte einer Düsseldorfer Versicherung von seinem Chef auch für ein paar Tage ins Fegefeuer geworfen.

Als Aushilfsfahrer bei einer Mietwagenfirma soll er im Geheimen die Versicherungswürdigkeit des Unternehmens prüfen. Die Provokation trägt Früchte, allerdings anders, als sein Chef sich das vorgestellt hatte. Denn an seiner neuen Arbeitsstelle wird das melancholische Dornröschen Karl von einer echten Naturgewalt wachgeküsst.

Der Tausendsassa heißt Hans (Jürgen Vogel), ist ein Lebenskünstler voller seltsamer Ideen und einer unerschütterlichen Anhänglichkeit, die Karl einfach übermannt. Mal genervt, meist aber fasziniert, lässt er sich auf die sinnliche Sinnsuche seines neuen Gefährten ein.

Er, der sich bisher so sehr in sicheren Bahnen bewegt hat, dass ihn das eigene Leben nur noch langweilt, muss von Hans, dem stets gutgelaunten Glücksritter, erst lernen, was es heißt, Wagnisse einzugehen und Umwege in Kauf zu nehmen. Hilfestellung bei diesem Sprung ins kalte Wasser gibt es ausgerechnet von Hans' hübscher Freundin Stelle (Sabine Timoteo). Die stille Stewardess bildet das Bindeglied zwischen den beiden so gegensätzlichen Jungs, doch die Dreier-Konstellation birgt enorme Sprengkraft.

Jürgen Vogel spielt den Hansdampf mit der ihm eigenen Energie. Würde der Film einen mit dieser Frohnatur allein lassen, man wäre nach den knapp 90 Minuten reif für die Misanthropen-WG, doch im Zusammenspiel mit Daniel Brühls entwurzeltem Einsiedler ergibt sich ein wunderbares Duett, das voller Überraschungen steckt.

Jede Situation birgt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Karls kalte Welt der Kalkulationen und schlüssigen Zahlen verliert sich hier in einem komischen Universum der Unwägbarkeiten. Man kann als Zuschauer förmlich spüren, wie Karls Sinne geweckt werden, wie er lernt, intuitiv und spontan auf Situationen zu reagieren.

Dabei wird die Lust an der Bewegung, das Genießen von Geschwindigkeit zum Symbol für die Symbiose der Figuren. Regisseur Schipper gelingt es, dass die Figuren ihre Geheimnisse bewahren und dennoch glaubwürdig und stimmig bleiben. Dabei ist seine Schauspielerführung so feinfühlig, dass Sabine Timoteo mit ihrer kleinen, aber wichtigen Rolle als zauberhafter Zankapfel trotz aller zur Schau gestellten Fragilität von den beiden Kraftfeldern nicht zerdrückt wird.

Ein kompaktes, perfekt geschnürtes Kinoerlebnis, das einen Makel hat - es dauert nur 84 Minuten.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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