Ich spiele lediglich eine Rolle

Interview mit Denzel Washington

In "Hurricane" liefert Denzel Washington als Boxer Rubin Carter eine grandiose schauspielerische Leistung - Als politischer Künstler versteht sich der Oscar-Favorit jedoch nicht - Ein Gespräch und eine Kritik

Für seine außerordentliche Leistung als Boxer Rubin Carter in "Hurricane" wurde Denzel Washington (45) mit dem Golden Globe und dem Berlinale-Preis als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet und ist auch bei der bevorstehenden Oscar-Verleihung hoch favorisiert. Mit Washington sprach Uwe Mies

General-Anzeiger: Hatten Sie vorher schon mit Boxsport zu tun?

Denzel Washington: Ja, einer meiner besten Freunde ist Butch Lewis, der in England als Promoter tätig ist. Er hat sechs oder sieben Kämpfe mit Muhammed Ali und zahlreiche Schwergewichtskämpfe mit Michael und Leon Spinks betreut. Ich sehe mir sehr gern Boxkämpfe an. Und ich weiß sie umso mehr zu schätzen, seit ich mich selbst aktiv in dem Sport versucht habe.

GA: Ist eine historische Person schwieriger darzustellen als eine fiktive?

Washington: Das kann man pauschal nicht beantworten. In diesem Fall war es insofern schwierig, als Rubin Carter noch am Leben ist. "Malcolm X" war sicher problematischer, obwohl er schon lange tot ist. Denn die Leute haben ein konkretes Bild dieser Person vor Augen. Rubin Carter war längst nicht so berühmt, was den Druck etwas gelöst hat. Aber erst als Carter mir sein Vertrauen aussprach, konnte ich wirklich befreit aufspielen.

GA: Wie äußerte sich das Vertrauen?

Washington: Er hielt sich zurück. Er war vielleicht drei Mal beim Dreh, und nie hat er mir über die Schulter geschaut. Ich hatte ihm sehr früh zu verstehen gegeben, dass es nicht meine Absicht ist, ihn als Person bis ins kleinste zu imitieren. Ich weiß zwar, wie man das macht, aber das wollte ich in diesem Fall nicht. Mir ging es um den Geist, die Persönlichkeit, nicht um Äußerlichkeiten.

GA: Damit geht eine große Verantwortung einher, denn ihre Darstellung prägt das künftige Bild, das die Öffentlichkeit von Rubin Carter hat.

Washington: Das stimmt, aber letztlich trifft das auf jede Rolle zu. Nur die Leute, die Rubin Carter persönlich kennen, werden die Ähnlichkeiten von den Fremdheiten unterscheiden können. Die allermeisten Leute aber haben noch nie von Rubin Carter gehört. Für sie ist es eine Rolle, die von Denzel Washington gespielt wird. Insofern mache ich mir keine allzu großen Gedanken darüber. Ich spiele eine Rolle und ich gebe mir Mühe dabei. Mehr kann ich nicht tun.

GA: Das erscheint mir zu wenig. Sie haben in so vielen Filmen politischen Inhalts mitgewirkt, haben kontroverse Charaktere verkörpert. Das kann doch nicht alles bloß Zufall gewesen sein?

Washington: Okay, ich habe in Filmen mitgewirkt, wo es um wichtige Themen ging. Und das gefällt mir. Aber eine Geschichte muss nicht mit aller Macht politischen Zündstoff enthalten, damit ich anbeiße. Ein guter Regisseur oder ein stimmiges Drehbuch sind mindestens ebenso wichtig. Ich habe jedenfalls nie vor einem Projekt gekniffen, weil mir die Story als zu kontrovers erschienen wäre.

GA: Einer der inneren Konflikte in "The Hurricane" ist es, ob der Held Hilfe von außen annimmt oder ob er seinen eigenen Weg geht. Welches Konzept würden Sie für sich gelten lassen?

Washington: Weder noch, es liegt doch wohl auf der Hand, dass niemand auf der Welt ganz und gar auf sich selbst gestellt irgendwo auf Dauer durchkommt. Und auf der anderen Seite würde ich mich niemals zur Gänze von jemand anderes abhängig machen wollen. Die Wahrheit liegt in der Mitte, für mich jedenfalls.

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