Tom Cruise als Ethan Hunt "Mission: Impossible - Fallout" ist Actionkino der Sonderklasse

Köln · Der sechste Teil der "Mission Impossible"-Reihe scheint in jedem Moment bemüht, die bisherige Referenz für bestes Actionkino zu übertreffen. Das macht "Fallout" zu einem zweieinhalbstündigen Adrenalinkick.

Sterblichkeit ist etwas für Anfänger. Tom Cruise alias Ethan Hunt jedenfalls wirkt in „Mission: Impossible – Fallout“ nur dann ein wenig irritiert, wenn die Lebensgefahr kurz unter die 99-Prozent-Grenze fällt. Also wenn er gerade nicht aus einem Flugzeug ins Gewitter über Paris springt, um dort als Motorradgeisterfahrer (auch Helme sind für Anfänger) um den Arc de Triomphe zu brausen oder einen gepanzerten Gefangenentransporter hart an der Wasserkante der Seine zu kapern.

Dennoch müht sich Drehbuchautor und Regisseur Christopher McQuarrie nach Kräften, seinen körperlich stahlharten Protagonisten zumindest seelisch anzuknacksen. So wird die neue Mission im Einband von Homers „Odyssee“ getarnt – dezenter Hinweis auf die Heimatlosigkeit des weltreisenden und -rettenden Helden.

Zwiespalt des Ethan Hunt

Und dann scheitert gleich zu Beginn eine Geld-gegen-Plutonium-Übergabe und Hunt steckt im Zwiespalt: Soll er sein Teammitglied Luther (Ving Rhames) opfern oder jene Terroristen (zynischer Deckname: „die Apostel“) entkommen lassen, die Nuklearschläge auf die religiösen Zentren in Rom, Jerusalem und Mekka planen? Nach seiner Wahl steht er unter Druck, denn bei der CIA zieht nun die kaltschnäuzige Erika Sloane (Angela Bassett) die Strippen. Und sie gibt dem angeblich wachsweichen Ethan nun ihren Mann fürs Grobe mit: Walker (Henry Cavill), ein Pitbull im Maßanzug.

Damit spielt das sonst etwas wirr mit den Plutoniumkugeln jonglierende Skript einen ersten Trumpf aus, denn dieses Zwangsgespann ist eine fleischgewordene Zerreißprobe. Zuerst aber darf man den Herren bei der Toilettenprügelei mit einem fernöstlichen Kung-Fu-Virtuosen zuschauen, die in ihrer knochen- wie spiegelsplitternden Vehemenz sogar den legendären Bond-Nahkampf in „Casino Royale“ übertrifft.

McQuarrie gewann für sein Drehbuch zu „Die üblichen Verdächtigen“ einen Oscar und konstruiert auch hier ein Spiegelkabinett, bei dem der Zuschauer mehr als einmal vor die Glasscheibe läuft. Schließlich zählt die Erzeugung virtueller Realitäten zum Kerngeschäft von Hunt & Co..

Dennoch gilt Hirnschmalz diesmal weniger als Muskelkraft. Selbst Benji (Simon Pegg), der schmächtige Tüftler des Teams, mutiert langsam zum Frontkämpfer. Auf sie alle wartet mit Soloman Lane ein alter Bekannter. Wobei Sean Harris das Schurkencharisma von Philip Seymour Hoffman leider nie erreicht.

Obwohl Hunt hier sowohl seiner attraktiven Kollegin Ilsa Faust (Rebecca Ferguson) wie seiner Exfrau (Michelle Monaghan) begegnet, lässt eine Newcomerin die Erotikfunken heißer sprühen: Vanessa Kirby als „die weiße Witwe“. Diese abgebrühte Zwischenhändlerin für explosivstes Material verbirgt im kühn geschlitzten Kleid eigentlich nur eins: das Stilett für hautnahe Konflikte.

Der Film zeigt bestes Actionkino

Wenn sie und Hunt einen Nobelclub voll schwer bewaffneter Gegner aufmischen, sind Timing und Choreographie der Sequenz von so kristallscharfer Finesse (und unterschwelligem Sex), dass man das Ganze gern noch einmal in Zeitlupe sähe. Überhaupt scheint McQuarry in jedem Moment bemüht, die bisherige Referenz für bestes Actionkino zu übertreffen.

Zwar spottet die Fülle spektakulärer Cliffhanger jeder Wahrscheinlichkeit, die einzelnen Sprünge und Stürze aber haben durchaus realistische Aufprallenergie. Nicht nur in jener Dachkantenszene, bei deren Dreh sich Cruise den Knöchel brach. Apropos: Der 56-jährige Star garantiert nach wie vor für die physische Plausibilität seiner Rolle.

Das Hochfrequenzfinale in Kashmir ballt irrwitzige, nie gesehene Hubschrauberduelle in engen Schluchten sowie Kletterpartien an überhängenden Felsklippen derart atemlos zusammen, dass man selbst im Parkett nach Luft schnappt. „Was zum Teufel macht er da?“ fragt Ilsa angesichts des Himmelsstürmers Ethan. „Am besten, wir sehen gar nicht hin“, rät Benji. Der mit Abstand dümmste Satz dieses zweieinhalbstündigen Adrenalinkicks.

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