Filmkritik zu Hollywood-Drama Poker in Hochgeschwindigkeit in "Molly's Game"

Hollywood · Jessica Chastain ist die perfekte Besetzung für das Spieler-Drama „Molly's Game“. Aaron Sorkin inszeniert ein Dialog-Feuerwerk.

 Die Chefin schaut zu: Jessica Chastain als kühle Geschäftsfrau.

Die Chefin schaut zu: Jessica Chastain als kühle Geschäftsfrau.

Foto: VERLEIH

Es gibt heute nur noch wenige Drehbuchautoren in Hollywood, die man an ihrem Stil erkennt, egal welcher Regisseur ihre Werke verfilmt. Aaron Sorkin, verantwortlich für „West Wing“, „Social Network“ und „Steve Jobs“, gehört auf jeden Fall dazu. Seine Dialoge sind rasante Wortgefechte, die mit ihrer hohen Informationsdichte das Publikum immer wieder an die Grenze seiner Aufnahmefähigkeit bringen.

Die ersten Filmminuten gleichen oft einer verbalen Schocktherapie. Es braucht Zeit, bis man sich als Zuschauer in das Tempo eingegroovt hat und die Schlagfertigkeit, die Eleganz, die Musikalität der Sprache erkennt. Im amerikanischen Original hat das oft etwas von einem guten Hip-Hop-Song, in der deutschen Synchronisation bleibt meist nur die Schnelligkeit als Markenzeichen erhalten.

Nun legt Sorkin mit „Molly's Game“ seine erste eigene Regiearbeit vor, und wie in seinen früheren Drehbüchern ist die Geschichte sehr nahe an der Realität. Von 2003 bis 2011 veranstaltete eine gewisse Molly Bloom in Los Angeles und New York Pokerrunden, in denen prominente Hollywood-Stars, Sportler, Banker und Ganoven mit extrem hohen Einsätzen Millionenbeträge verspielten, bis das FBI die Gastgeberin wegen vermeintlicher Kontakte zur russischen Mafia in Haft nahm.

Jessica Chastain spielt die Tochter aus gutem Hause, die es als Skifahrerin fast bis zur Olympiade geschafft hätte, wenn ein fataler Sturz ihrer Sportlerkarriere nicht ein frühzeitiges Ende gesetzt hätte. Auf der Piste beginnt der Film, und die Worte von Mollys Off-Kommentar fliegen uns in dem gleichen Tempo um die Ohren, wie die junge Frau den Abhang hinunterrast.

Nachdem die Verletzungen verheilt sind, streicht sie das geplante Jurastudium und zieht nach Los Angeles. Dort wird sie bald als Assistentin von dem Möchtegerngeschäftsmann Dean Keith (Jeremy Strong) angeheuert, der für ein paar betuchte Promis eine Pokerrunde organisiert. Molly arbeitet sich schnell in die Materie ein, übernimmt kurzerhand das Spiel und verlagert es vom Hinterzimmer einer Bar in ein Nobelhotel. In einer rasanten Rückblendendramaturgie wird zwischen dem Aufstieg der Poker-Queen und der Gegenwart hin und her geschwenkt, in der Molly sich mit ihrem Anwalt Charly Jaffey (Idris Elba) vor Gericht verantworten muss.

Das FBI bietet ihr einen Deal an. Aber Molly hat ihre eigenen moralischen Prinzipien und weigert sich, die Poker-Klienten zu verraten. Mit Jessica Chastain hat Sorkin die ideale Hauptdarstellerin gefunden, die nicht nur die Hochgeschwindigkeitsdialoge souverän handhabt, sondern auch hinter der Fassade der kühlen Geschäftsfrau die Intelligenz und Integrität ihrer Figur glaubwürdig herausarbeitet.

Nach ihren Einsätzen in „Zero Dark Thirty“ und „Die Erfindung der Wahrheit“ überzeugt Chastain auch hier wieder als Frau, die sich in einer männerdominierten Welt durchzusetzen versteht. Aber so gebannt man ihr bei der Arbeit zuschaut, ist „Molly's Game“ mit 140 Minuten deutlich zu lang geraten. Auf so manche Poker-Fachsimpelei hätte man gerne verzichtet. Hier merkt man deutlich, dass der Regisseur Sorkin den Drehbuchautoren Sorkin nicht richtig in den Griff bekommen hat.

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