Neuer Film von Quentin Tarantino So ist der Film "Once Upon A Time In Hollywood"

BONN · Quentin Tarantinos Film „Once Upon A Time In Hollywood“ läuft am Mittwoch an. Das Warten hat sich gelohnt. So witzig war der Kultregisseur noch nie.

 Ziemlich beste Freunde: Brad Pitt (links) und Leonardo DiCaprio als Cliff und Rick.

Ziemlich beste Freunde: Brad Pitt (links) und Leonardo DiCaprio als Cliff und Rick.

Foto: Sony Pictures

Das Jahr ist 1969, und Rick Dalton ist ein Mann im Krisenmodus. Der von Leonardo DiCaprio gespielte TV-Star sieht seine Karrierechancen schwinden, er hat ein Alkoholproblem und bringt seinen Ehrgeiz nicht mehr in Übereinstimmung mit den Rollen, die ihm noch angeboten werden.

In einer Szene in Quentin Tarantinos Film „Once Upon A Time In Hollywood“, der am Mittwoch ins Kino kommt, sitzt Dalton in einer Pause der Dreharbeiten zur TV-Westernserie „Lancer“ neben seiner jungen Kollegin Trudi (Julia Butters). Sie erbarmt sich des frustrierten Mitspielers und entfaltet eine Theorie des „method acting“, als wäre sie Robert De Niro, gefangen im Körper eines achtjährigen (!) Mädchens. Nach einer gemeinsamen Szene lobt sie Dalton: „That was the best acting I've ever seen in my whole life.“ Er ist zu Tränen gerührt.

Die hochemotionale Momentaufnahme von Daltons Seelenlandschaft gehört zu den vielen Höhepunkten des Films. Tarantinos Drehbuch und Regie spiegeln seine Liebe zu Schauspielern und deren Hoffnungen und Sehnsüchte, Ängste und Aggressionen wider. Und er erlaubt Julia Butters (Jahrgang 2009), ihren berühmten Kollegen an die Wand zu spielen.

Rick Dalton ist nicht allein. Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt) ist ihm Kumpel, Fahrer und wunderbar cooler Überlebensphilosoph. Könnte aber sein, dass er einst seine nörgelige Frau umgebracht hat.

DiCaprio und Pitt tragen die entspannt erzählte Handlung, die zwei Tage im Februar und einen Tag im August 1969 umfasst. Der Plot bewegt sich durch die Film- und Fernsehwelt Hollywoods, erforscht die Hippieszene und blickt in die Abgründe der „Familie“ von Charles Manson (1934-2017), die im August des Jahres die Schauspielerin Sharon Tate – Frau des Regisseurs Roman Polanski – und vier weitere Menschen ermordet hat.

Das Wissen um das Verbrechen liegt wie ein bedrohlicher Schatten auf Tarantinos bisher witzigstem Film. Mit einem Schauspielerglückslächeln betrachtet Tate (Margot Robbie) sich in einem dunklen Kino auf der Leinwand. Die Komödie „The Wrecking Crew“ mit Dean Martin und Tate aus dem Jahr 1968 bezaubert die Schauspielerin ebenso wie das Publikum um sie herum. Eine gefährdete Idylle; wir wissen, was passieren wird.

Zufälle bringen die Figuren zusammen, Wirklichkeit und Fiktion verschmelzen. Cliff Booth zeigt dem arroganten Bruce Lee (Mike Moh), wo der Hammer hängt. Steve McQueen (Damian Lewis) und der Produzent Marvin Schwartz (Al Pacino) treten auf, die Playboy Mansion kommt ins Bild, und The Mamas and the Papas singen „California Dreaming“.

Cliff trifft auf die hübsche und unkonventionelle Pussycat (Margaret Qualley) und erhält Zugang zu Charles Mansons Kult-Kollektiv auf der Spahn Movie Ranch. Hier ist die Gewalt zu Hause, die für Tarantinos Filme ebenso charakteristisch ist wie für die US-amerikanische Gesellschaft. Nach rund zweieinhalb Stunden erlebt dieses Motiv ein explosives und blutiges Finale: Grand Guignol à la Tarantino.

Der Regisseur wird seit seinem Film „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“ (1992) für Leinwandexzesse geschmäht, deren Opfer häufig Frauen sind. Seinen Kritikern liefert er mit „Once Upon A Time In Hollywood“ neue Nahrung. Für seine Kunst mit ihren wiederkehrenden Themen Vertrauen, Loyalität, Gerechtigkeit und Vergeltung geht er keine Kompromisse ein. Das Kinopublikum bekommt Tarantino nur ganz oder gar nicht.

Seine Fans beglückt er mit seinem neuen Werk, das auch mit Rückblicken und Parallelmontagen arbeitet. Mit seinem Kameramann Robert Richardson rekonstruiert der Regisseur eine sonnenbeschienene Epoche, in der Fernsehen, Film und Musik so wichtig waren wie heute das Internet. Der Film ist eine Liebeserklärung ans Kino und an die Schauspieler Pitt, DiCaprio und Robbie. Sie werden beleuchtet, von der Kamera aufgenommen und angebetet wie einst die Helden und Heldinnen in den Filmen von John Ford, Alfred Hitchcock und Elia Kazan.

Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Zigarettenqualm steigt an allen Orten auf, sogar das Futter für Cliffs Hund Brandy (der am Ende eine tragende Rolle übernimmt) besitzt Vintage-Charakter. In diesem oscarreif arrangierten Rahmen bewegen sich die Akteure – darunter Tarantino-Veteranen wie Kurt Russell (als Stuntman), Zoë Bell und Michael Madsen – wie auf einer für die Oscars bereiteten Bühne.

Ein Traumpaar

Leonardo DiCaprio und Brad Pitt sind ein Traumpaar. Der weinerliche Loser mit dem Hang zu masochistischer Selbstdemontage findet eine Stütze und ultimative Rettung in dem zenbuddhistisch abgeklärten Stuntdouble.

Pitt hat sein komisches Potenzial in „Burn After Reading“ der Brüder Coen und in Tarantinos „Inglourious Basterds“ bewiesen. In „Once Upon A Time In Hollywood“ übertrifft er sich selbst. Die köstlich choreografierte Komik wird nur noch übertroffen von Pitts lässigem Sex-Appeal (oder umgekehrt). Darüber hinaus verkörpert er das Prinzip Freundschaft scheinbar mühelos. Wenn Rick Dalton in Selbstmitleid zu ertrinken droht, reicht ein Satz aus Cliffs Mund: „You're Rick f***ing Dalton!“

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