GA-Radtour zur Steinbachtalsperre Das Wasser für die Tuchfabrik

EUSKIRCHEN · Euskirchen eignet sich wegen seiner guten Verkehrsanbindung hervorragend als Ausgangspunkt für Touren. Unsere Radtour führt zur Steinbachtalsperre.

 Die Steinbachtalsperre versorgt die Region mit Trinkwasser. Sie wurde 1935 fertiggestellt.

Die Steinbachtalsperre versorgt die Region mit Trinkwasser. Sie wurde 1935 fertiggestellt.

Foto: J. Gregori/Stadt Euskirchen

Euskirchen ist die Hauptstadt der Nordeifel. Industriestadt, Verwaltungszentrum, Schulstadt, Einkaufsziel. Die bekanntesten Söhne der Stadt sind der Nobelpreisträger für Chemie Emil Fischer und der viel zu früh verstorbene FC-Spieler Heinz Flohe. Euskirchen eignet sich wegen seiner guten Verkehrsanbindung hervorragend als Ausgangspunkt für Touren in die Eifel – ob zu Fuß, mit dem Rad, dem Motorrad oder dem Auto. Wir wählen das umweltfreundliche Fahrrad.

Die ersten Kilometer stadtauswärts bis nach Stotzheim sind zum Einradeln gerade richtig, weil die Strecke in der Ebene verläuft. Auf der Münstereifeler Straße geht es vorbei an prächtigen Villen mit üppigen Vorgärten aus der Kaiserzeit. Dort residierten die wohlhabenden Bürger der Stadt: Kaufleute, Ärzte, Lehrer.

Stotzheim ist schnell durchquert, am Ortsausgang wartet ein leichter Anstieg in den Hardtwald hinein, in dessen Mitte im 12. Jahrhundert die Hardtburg gepflanzt wurde. Die Hauptburg mit dem wuchtigen, 20 Meter hohen Bergfried ist schon lange eine Ruine, bis 1794 diente sie als Verwaltungssitz des Amtes Hardt. In der Vorburg ist heute das Regionalforstamt untergebracht. Da im Bergfried Vögel nisten, kann er nur außerhalb der Brutzeiten bestiegen werden. Wir stellen die Räder vor der Burg ab und umrunden sie zu Fuß. Nach einer Pause geht es weiter bergauf durch den Wald.

Nach etwa einem Kilometer erreichen wir den Waldrand und fahren durch eine sanft hügelige, weite Wiesenlandschaft in Richtung Kirchheim. Auf der Höhe erkennen wir in der Ferne das Siebengebirge. Südlich von Kirchheim kommen wir an der Steinbachtalsperre an. Sie versorgt heute die Region mit Trinkwasser und ist samt Waldgasthaus und Waldfreibad ein beliebtes Ausflugsziel.

Stadt Euskirchen wollte Waldfreibad schließen

Erbaut wurde sie 1934/35, weil die Euskirchener Tuchindustrie ihren Wasserbedarf nicht mehr aus den kleinen Bächen decken konnte. Durch gusseiserne Rohre floss das Wasser in die Fabriken nach Euskirchen und Kuchenheim. Der Stausee nimmt 14,6 Hektar ein und speichert rund eine Million Kubikmeter Wasser. 1988 wurde die Talsperre zwecks Sanierung trockengelegt, 1990 wieder gefüllt.

In die Schlagzeilen geriet das idyllische Waldfreibad im Jahre 2002, weil die Stadt Euskirchen es aus Haushaltsgründen schließen wollte. Die Ruhr-Universität Bochum zeigte Interesse an einer Nutzung als Forschungszentrum für Meeressäuger. Doch die Pläne zerschlugen sich. Heute sichert ein Förderverein den Bestand.

Wir drehen eine Runde um den See und erfahren an zahlreichen Infotafeln Wissenswertes über die Botanik am Ufer. Bei sommerlichem Wetter ist eine Pause im Biergarten des Waldgasthauses wie ein Kurzurlaub vor der Haustür. Die Auswahl an Brauhaus-typischen Gerichten ist groß, den Durst kann man mit dem im Haus gebrauten Craft-Bier löschen.

Denjenigen, die die Tour mit kleineren Kindern angehen, sei der Spielplatz an der Zufahrt zu Talsperre und Freibad empfohlen. Dort stehen auf einer großen Wiese jede Menge Geräte, und in der kleinen Imbissbude gibt es nicht nur Fritten und Eis.

Die Hälfte der Tour ist nun geschafft, es geht zurück auf der Talsperrenstraße in Richtung Kirchheim. Bevor wir aber den Ort erreichen, biegen wir auf der Höhe rechts ab und sausen hinunter ins Klostertal. Es verdankt seinen Namen dem Kloster Schweinheim, das rechts auftaucht. Das schöne Natursteingebäude, in dem von 1238 bis 1802 Zisterzienserinnen lebten, wird heute als Seminarhaus genutzt.

Pittoreske Fachwerkhäusern in Niederkastenholz

Über Wirtschaftswege, durch Felder und entlang von Apfelplantagen steuern wir Niederkastenholz an. Der Kern des Dörfchens besteht aus pittoresken Fachwerkhäusern, deren Fensterbänke mit Blumenkästen geschmückt sind. Auf dem Spielplatz unterhalb der im Privatbesitz befindlichen Burg spielen die Kinder Verstecken. Auch die im 14. Jahrhundert erstmals erwähnte Burg im Nachbarort Flamersheim ist im Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.

In Gebäuden des früheren Gutshofs sind die Restaurants „Eiflers Zeiten“ mit dem Schwerpunkt regionale Küche und das feine und höherpreisige „Bembergs Häuschen“ zu finden. Ein Besuch lohnt auf jeden Fall am Abend nach der Tour. Am Rande des Kirchplatzes von Flamersheim erinnert ein Denkmal an die in den Weltkriegen Gefallenen. Gleich daneben steht ein Davidsstern aus Metall als Erinnerung an die jüdischen Opfer der Nazi-Herrschaft.

Wir verlassen Flamersheim und fahren auf asphaltierten Wegen durch die Felder nach Kuchenheim. Auf Freunde der Technikgeschichte wartet an diese Stelle die Tuchfabrik Müller, jetzt Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland. Dort scheint die Zeit 1961, als die Fabrik aufgegeben wurde, stehen geblieben zu sein. Bereits im 18. Jahrhundert existierte auf dem Gelände am Erftmühlenbach eine Getreidemühle, sie wurde 1801 abgerissen und durch eine Papierfabrik ersetzt. Nach 1843 wurden die Gebäude zunächst als Wollspinnerei, später als Volltuchfabrik genutzt.

Von der Anlieferung der Wolle bis zum Versand des fertigen Tuches wurden alle Arbeitsschritte unter einem Dach von bis zu 50 Arbeitern erledigt. 1894 übernahm Ludwig Müller den Betrieb, 1929 sein Sohn Kurt. Der machte im Wirtschaftswunder der 1950er Jahre den Fehler, nicht in neue Maschinen zu investieren. So war die Fabrik bald nicht mehr konkurrenzfähig und schloss 1961.

An der B56 zurück nach Euskirchen

Während der Besichtigung sind die immer noch funktionstüchtigen Maschinen, wie etwa die 80 PS starke Dampfmaschine von 1860, die alle anderen Maschinen antrieb, zu bewundern. Farben und Säuren wurden über einen Ablauf in den Bach geleitet – heute unvorstellbar. Einen Eindruck vom Krach bei vollem Betrieb bekommt der Besucher, wenn ein Museumsmitarbeiter einen Webstuhl in Gang setzt. Da reicht einfaches Ohrenzuhalten nicht. Erst ab 1908 war Gehörschutz Pflicht.

Entlang der B56 radeln wir zurück nach Euskirchen, wo wir uns noch das Stadtmuseum anschauen. Es ist im modernen Gebäude im Kulturhof an der Wilhelmstraße untergebracht. Auf drei Etagen versammelt es Dokumente der Stadtgeschichte: Funde aus der Römerzeit, ein Modell der Stadt von 1829, Fotos vom Besuch Kaiser Wilhelms 1906 bis zum Original-Moped Marke Goldrad 56 S der örtlichen Hebamme, die bis in die 1960er Jahre ihren Dienst tat.

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