Die Bonner Rheinaue Jedermanns Garten

Bonn · Die Rheinaue: Alle dürfen hinein, vieles ist erlaubt, einiges möglich und manches nicht.

Da sitzen sie auf der Parkbank, der Herr Diplom-Ingenieur Dieter Fuchs, Amtsleiter im Amt für Stadtgrün der Bundesstadt Bonn, und der Herr Alfred Merzbach, Gartenmeister "Bezirk Rheinaue", und gucken fast so dunkel wie die Gewitterwolken, die sich am Himmel über der Rheinaue in Position bringen.

Soeben ist der Name Gottfried Hansjakob gefallen, ein wichtiger Name in Bezug auf das Grün, das sich vor uns ausbreitet. Hansjakob war als Landschaftsarchitekt maßgeblich an der Gestaltung des Volksparks beteiligt, der zur Bundesgartenschau 1979 entstand. Jawohl, sagen Fuchs und Merzbach, der Park ist Gold wert für Bonn, es ist ganz wunderbar, wie viel Leben, wie viele Veranstaltungen es hier mittlerweile gibt, und noch mehr wäre noch schöner - nur: Wer macht dann anschließend den Dreck weg? Wer pflanzt den Rasen neu, dem wilde Griller Ödlandflecken eingebrannt haben? Und wer, bitte schön, sorgt ohne Tamtam jeden Tag dafür, dass die durchs Grün scharwenzelnden Menschen eben nicht nur grün sehen, sondern alle Farben des Regenbogens, blühend und duftend passend zur Jahreszeit?

15 sind's. Eigentlich 32. "Aber 15", sagt Merzbach, "sind real immer im Dienst." Noch. Bonn spart, wie alle Kommunen. Und gespart wird auch hier. Braucht man 15 aktive Mitarbeiter, oder gehen auch zehn? "Alles geht", sagt Merzbach. "Aber dann sieht es hier anders aus."

So sieht es im Moment aus: Die Rheinaue misst 160 Hektar. Das sind knapp dreimal soviel wie die Münchner Theresienwiese und etwa halb soviel wie der New Yorker Central Park. Von den 160 Bonner Hektar sind 50 Hektar - oder 50 Fußballfelder - reine Rasenfläche. Die will gepflegt sein. Eine Woche brauchen Merzbach und sein Team, um einmal durch den ganzen Park zu kommen. Je kleiner das Team, umso einfarbiger dürfte irgendwann der Park werden: Wer genau hinguckt, der stellt fest, dass bereits die eine oder andere Blumenanlage kleiner geworden ist. Dass vom einen oder anderen Beet nur noch ein Schemen übrig ist, auf dem junges Gras wächst. Sparmaßnahmen. Üppige Stauden haben einen Preis. Und brauchen Pflege.

Damit die Beete in der Rheinaue Hingucker sind und bleiben, gibt es im Frühling Tulpen, im Sommer Rosen und im Herbst Chrysanthemen. Immer aufs neue werden vom Wind durch die Gegend geworfene Äste aufgesammelt, damit Kinderwagen und Fahrräder frei von Hindernissen durch das insgesamt 45 Kilometer lange Wegenetz kommen. Und wenn auf den Streuobstwiesen die Früchte reif sind, dann werden sie gegessen. Nicht von Vögeln, nicht von Gärtnern, sondern von Besuchern: "Ich weiß ehrlich nicht, ob sie schmecken", sagt Merzbach. "Aber offensichtlich schmecken sie, denn sie werden Jahr für Jahr gepflückt."

Ebenso kommen die Tiere im Park auf ihre Kosten. Für die Vögel gibt es eine eigene Insel im See, die Menschen nur betreten dürfen, wenn sie Gärtner sind. "Auf der Vogelinsel", sagt Merzbach, "ist die Natur weitgehend sich selbst überlassen. Die Enten und Gänse haben hier ein schönes Leben." Die Fische leben auch nicht schlecht. Karpfen, Zander, Aal, Hecht, Brasse bevölkern den Auensee. Sein Wasser spendiert seit zwei Jahren die Post: "Früher", sagt Fuchs, "haben wir es vom Wasserwerk bezogen - gegen Gebühr. Das Grundwasser wurde vom Wasserwerk in unsere Sammelbehälter geleitet. Im Auensee verdunstet viel Wasser, der Spiegel sinkt zwei Zentimeter pro Tag."

Ein paar Meter weiter wurde ebenfalls Grundwasser hochgepumpt - für die Klimatisierung des Posttowers. Von dort floss das Wasser in den Rhein. Und weg war es. Jetzt landet das Post-Wasser im Park statt im Fluss. Umsonst.

Als es die Bonner Rheinkultur noch gab, da stürzte sich immer mal wieder einer zum Abkühlen in den See. Jetzt gibt es den "Kunst!Rasen". In Merzbachs Gesichtsausdruck bei diesem Thema steht ungefähr dieser Satz geschrieben: Ja, wenn es denn einer auch im ersten Sinne des Wortes wäre! Aber die Kunst findet nicht auf Kunstrasen, sondern echtem Rasen statt - vielmehr: fand. Merzbach will keine Spaßbremse sein. Und deshalb sagt er wenig, sondern zeigt lieber: Einen Baum auf dem Parkplatz hinter der Bühne, dessen Rinde zerstört ist. "Beim Parken passiert", sagt Merzbach kurz. "Der Baum ist nicht mehr zu retten." Wir blicken auf den Festivalplatz: braun statt grün am Boden. "Der Rasen ist hin", sagt Merzbach. Und: "Eigentlich ist das hier Hochwassergebiet. Ich habe Bilder bei mir im Büro, da schwimmen auf genau diesem Flecken Enten."

Natur und Mensch befinden sich in der Rheinaue mitunter im Krieg gegeneinander. Gewinnt die Natur, verliert Bonn sein bestes und im übrigen auch einziges wirkliches Freizeitgelände. Gewinnt der Mensch, wird es irgendwann nur noch Fast-Food-Natur geben - schnell gepflanzt, schnell gewachsen, billig und ersetzbar. Können nicht beide gewinnen? "Ja", sagt Fuchs. "Es geht um das sinnvolle Verbinden." Das fängt mit dem Nichtbenutzen von Einweggrills an, die sich in den Rasen brennen, und das hört auf bei Konzertbesuchern, die Bäume nicht wie Hindernisse behandeln. Nein, sagen Fuchs und Merzbach, sie sind nicht gegen Veranstaltungen. "Aber", sagt Fuchs vorsichtig, "man kann ja auch ein bisschen Rücksicht nehmen." Auf einander. Und auf die Natur.

Ein Sommerabend in der Rheinaue. Am Seeufer sitzt eine Familie beim Picknick, während oben am Parkrestaurant ein Paar zum Dixie-Sound einer Liveband tanzt. Vom "Kunst!Rasen" aus machen sich die Klangwellen einer anderen Band auf den Weg zu den 80 Jahre alten Pappeln am Rheinufer, wo ein paar Jugendliche chillen. Ein Jogger dreht in der untergehenden Sonne seine Runde.

Morgen wird ein anderer, Frühaufsteher, dieselbe Runde laufen. Kinder werden auf den Spielplätzen turnen, Büro-Mitarbeiter zur Mittagspause im Japanischen Garten sitzen oder ein bisschen durchs Grün spazieren, frische Luft tanken für den Rest des Arbeitstages. Die Rheinaue ist kein Festivalgelände, keine Joggingstrecke, kein Spielplatz, kein Grillplatz, kein Naturpark. Sie ist nicht das eine, sondern alles zusammen: jedermanns Garten.

Weitere Informationen zur Rheinaue gibt es unter der Adresse www.bonn.de

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