Windeck-Dattenfeld Sieg und Dom sind die Lebensadern

Windeck-Dattenfeld · Im Zentrum schließen viele Geschäfte, doch an den Rändern des 2500-Seelen-Ortes blüht der Tourismus.

 Ein Blick aus dem Turm des Siegtal-Doms: Dattenfeld besticht durch viele alte Fachwerkhäuser.

Ein Blick aus dem Turm des Siegtal-Doms: Dattenfeld besticht durch viele alte Fachwerkhäuser.

Foto: Holger Willcke

Die Hauptstraße von Dattenfeld ist menschenleer, viele Geschäfte haben geschlossen - dem Anschein nach für immer. Ein Blick auf meine Uhr: 10.21. Ich frage mich, wo sind die Dattenfelder? Eine alte Frau biegt mit ihrem Rollator um die Ecke. Hurra, da ist jemand. Sie hilft dem ratlos wirkenden Reporter weiter: "Junger Mann, gehen Sie mal in die Seitenstraßen. Dort ist Dattenfeld am schönsten, und da finden Sie auch Menschen." Wie wahr.

Ich gehe runter an die Sieg, quere den Fluss, treffe auf Familie Esser aus Roßbach an der Wied. Vater, Mutter und drei Kinder verbringen auf einem kostenlosen Wohnmobil-Stellplatz einen Ferientag. "Hier ist es einfach schnuckelig. Die Kinder können spielen, und wir genießen die Ruhe an der Sieg", erzählt Familienvater Karl-Heinz.

Wenige Meter weiter höre ich Kinderlachen und Warnrufe einer Mutter: "Pass' auf, dass Du nicht abtreibst." Die siebenjährige Tochter nutzt die Bootrutsche an der Dattenfelder Stromschnelle und lässt sich in die Sieg spülen. Ich gehe mit meinen Sandalen ins kühle Nass und fotografiere die Wasserratte - herrlich erfrischend.

[kein Linktext vorhanden]Meine Wanderung führt mich an einem Schild mit der Aufschrift "Weco-Arena" vorbei und macht mich neugierig. Plötzlich stehe ich vor dem Stadion von Germania Windeck. Alles macht einen tipptopp Eindruck: gepflegter Rasenplatz, Zuschauertribüne, Tennisplätze. An der Seitenlinie scheint der Platzwart Pflegearbeiten durchzuführen. Von wegen Platzwart! Nach wenigen Worten stellt sich mein Gegenüber vor: "Guten Tag, Herr Willcke, gestatten: Heinz-Georg Willmeroth, Vorsitzender und Präsident des Vereins."

Plötzlich fällt der Groschen. Wir kennen uns aus Königswinter. Willmeroth arbeitete dort bei der Stadt als Beigeordneter. Einem kurzen Plausch über vergangene Tage folgt ein Steckbrief des Vereins: Die erste Mannschaft spielt in der Verbandsliga, durchschnittlich 200 Zuschauer verfolgen die Heimspiele, am 25. August ist Saisonauftakt gegen Schwarz-Weiß Nierfeld. Ach ja, von den legendären DFB-Pokalspielen gegen Bayern München und Schalke 04 schwärmt Willmeroth heute noch: "Das war der Gipfel für unsere Germania."

Weiter geht's zu Fuß den Berg hoch. 15 Prozent Steigung steht auf dem Verkehrsschild. Stimmt, ich schwitze. Oben angekommen, dröhnen dicke Motoren. Eine Speisekarte auf Niederländisch lässt mich grübeln. Auf dem Kneipen-Schild steht "Bikers Rast". Ein Treffpunkt für Motorrad-Freaks. "Niederländer kommen gerne hier vorbei. Sie wissen die kurvigen Strecken an der Sieg zu schätzen", erzählt eine Bedienung.

Von oben genieße ich den Ausblick auf Dattenfeld. Mitten im Dorf ragt eine große Kirche heraus. Für den 2500-Seelen-Ort wirkt das Gotteshaus mächtig und erhaben. 15 Minuten später stehe ich in der Kirche und treffe Herbert Hornig. Dieser Mann erstaunt mich. Bereits nach wenigen Minuten denke ich mir, den muss mir wohl der liebe Gott geschickt haben. Hornig ist Kirchenmusiker und ein wandelndes Lexikon.

Er steigt mit mir zu den Glocken hoch, stellt mir den Spieltisch der Orgel vor und zeigt mir das große Kreuz, das Jugendliche beim Weltjugendtag in Köln getragen haben. "Der Siegtal-Dom, so nennt man die Kirche Sankt Laurentius, ist eine der wenigen zweitürmigen Kirchen in der Region. Sie liegt erhaben auf einem Felsensporn", sagt Hornig mit Pathos in der Stimme.

Seit 37 Jahren lebt Hornig in Dattenfeld. Den Status eines "Immis" hat er längst abgelegt, er ist einer von ihnen. Was zeichnet den Ort aus? Hornig denkt kurz nach, und dann sprudelt es aus ihm: "Eine nette Dorfgemeinschaft, gute Sänger und ein frommer Nährboden." Letzteres wollte ich genauer wissen. "Seit 1977 sind neun Dattenfelder zur Priesterweihe in den Kölner Dom eingezogen. Bei einer Weihe hat Kardinal Meisner gesagt: 'O seliges Dattenfeld'", betont Hornig stolz.

Der Kirchenmann ist aber so ehrlich, dass er im gleichen Atemzug Dinge aufzählt, die ihm Sorgen bereiten: "Bei uns hat ein enormes Geschäftesterben eingesetzt. Wir haben noch einen Vollsortimenter. Alles andere hat sich auf der grünen Wiese in Rosbach an der Sieg konzentriert. Da müssen wir sieben Kilometer hinfahren. Auch immer mehr Kneipen machen zu."

Mein Körper signalisiert eindeutig: Durst und Hunger. Ich mache mich auf die Suche und komme an einem eigenwilligen Eisgeschäft in Schladern vorbei. Der bunte Verkaufspavillon nach einem Entwurf der Kölner Architektin Verena Kluth ist ein Treffpunkt für Jung und Alt. Ehrlich: Das Eis schmeckt fantastisch.

Weiter geht es auf meiner Rundreise rund um Dattenfeld. Ein Schild mit der Aufschrift "Elmores" macht mich neugierig. Ich biege ab, parke mein Auto. Flotter Sound dringt in meine Ohren. Nach wenigen Schritten stehe ich in einem Biergarten mit Aha-Effekten: Auf der Theke liegt ein goldfarbener Buddha, Götterfiguren thronen über den Sesseln und die Kanzlerin als Plastikpuppe wackelt mit dem Unterarm wie ehemals Queen Mum.

Alles wirkt entspannt. Seit 2007 gibt es diese alternative Kultstätte in den ehemaligen Kupferwerken von Schladern. "Wir sind alles Quereinsteiger in der Gastroszene und bauen auch schon mal Mist", sagt der junge Kellner durch eine coole Sonnenbrille. Bei sanfter Chill-out-Musik endet hier meine Entdeckungstour.

Gemeinde Windeck

Windeck liegt in einer reizvollen, abwechslungsreichen Flusslandschaft mit sanften Hügeln und viel Wald - mitten im Grünen und doch gut angebunden an Siegburg, Köln und Bonn. Die Gemeinde mit rund 60 Ortschaften und gut 21 000 Einwohnern hat eine gute Infrastruktur. Gewachsene dörfliche Strukturen und touristische Angebote, landwirtschaftliche Betriebe und moderne Dienstleister - in Windeck gibt es Brauchtum und Innovation. Neben dem Sieg-Steig und Bootstouren auf der Sieg gibt es viele Freizeitangebote: Alpakahof "Alpakas des Westens", Windecker Dorfbrennerei, Burgruine Windeck, Museumsdorf Altwindeck, Burg Mauel, Gedenkstätte Landjuden an der Sieg, Besucherbergwerk Grube Silberhardt, Siegwasserfall, Siegtaldom, Basaltkrater Blauer Stein und Heilbrunnen. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.windeck-bewegt.de.

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