Sommerkino ab 6. August Stumm, nicht wortlos

Bonn · Das 31. Bonner Sommerkino im Arkadenhof der Universität und im Landesmuseum bietet mit 22 Stummfilmen an elf Tagen einen Querschnitt vom Liebesdrama bis zum revolutionären Kammerspiel.

 Der wundervolle Fächer - Le Merveilleux Eventail Vivant: Dieser Trickfilm des Franzosen Georges Melies aus dem Jahr 1904 führt zurück in die Pioniertage der bewegten Bilder.

Der wundervolle Fächer - Le Merveilleux Eventail Vivant: Dieser Trickfilm des Franzosen Georges Melies aus dem Jahr 1904 führt zurück in die Pioniertage der bewegten Bilder.

Es dämmert schon, als Sabrina Zimmermann zur Violine greift und Mark Pogolski die ersten Tasten auf dem Flügel anschlägt, während der Titel über die Leinwand flimmert: "Metropolis". Schwarz-weiße Grafik, 1926: Bauhaus - Die Form folgt der Funktion. Von wegen: Was die Zuschauer im Arkadenhof der Bonner Universität an diesem Abend erwartet, ist nichts weniger als ein fulminantes Meisterwerk.

150 Minuten mit Fritz Langs wegweisenden Sci-Fi-Klassiker; für viele Cineasten bis heute der Stummfilm schlechthin. Als die Zuschauer gegen Mitternacht den Hof verlassen, sieht es so aus, als trage der eine oder andere etwas von dessen magischem Leuchten mit sich nach Hause.

Fünf Jahre ist das jetzt her: 2010, als der städtische Etat für das Bonner Sommerkino zur Disposition stand. Als sich Sigrid Limprecht - Vorsitzende des Fördervereins Filmkultur Bonn - gemeinsam mit ihrem Team und dem Kurator Stefan Drößler, Leiter des Filmmuseums München, ragte, ob und wie es weitergehen soll. "Sollen wir verstummen?", lautete das Motto der damaligen Spendenaktion.

Die Antwort darauf ist ein entschiedenes Nein. Mittlerweile sind wir bei Ausgabe 31, vom 6. bis 16. August, im Arkadenhof und im Rheinischen Landesmuseum, bei insgesamt 22 Aufführungen an elf Tagen; mit Komödien und Tragödien, Dokumentarfilmen. "Das Festival wird von allen Seiten sehr geliebt. So hoffen wir auf einen weiteren Fortbestand", bringt es Limprecht auf den Punkt. "Wir müssen langfristig planen, da die Filme in den Archiven aufwendigst digital restauriert werden und sich diese Projekte mitunter über Jahre hinziehen können." Um eine interessante Programmedition zusammenstellen zu können, bearbeiten wir schon jetzt 2016, 2017 und 2018."

Woraus neben der Zuversicht vor allem auch Erfahrung mit dem zum Teil hochempfindlichen Material und den raren Schätzen spricht. "Für einen Film haben wir sogar schon einmal elf Jahre verhandelt", fügt Limprecht hinzu. Dass mitunter die Politik das Programm einholt, zeigt sich dieses Mal mit Filmen aus der Ukraine und aus Griechenland.

"Die Abenteuer des Villar" bieten eine rasante Tour quer durch Athen - das nur an alle, die derzeit glauben mögen, die Kulturnation beschränke sich vor allem auf Milliardenkredite, Korruption und Austerität.

Wohingegen der ukrainische Film "Zwei Tage" - ein beeindruckendes Kammerspiel aus dem russischen Bürgerkrieg - beeindruckend offen und ungeschönt das Verhalten der Roten und Weißen, der Revolutionäre und der Verteidiger des alten Systems zeigt. Auch an diesen Film zu kommen, hat einige Jahre gedauert. Die Recherche führte die Programm-Macher nach Russland, denn die Filmliebhaber in der Ukraine glauben, dass das Material derzeit dort einfach sicherer ist, wie Limprecht erläutert.

Die es auch nach 30 Jahren noch immer liebt, überrascht zu werden. Zum Beispiel von technisch und dramaturgisch anspruchsvollen Filmen wie dem taiwanesischen Drama "Liebe und Pflicht". Zeit für einen Moment Schwärmerei: "Großartige Darsteller, phantastische Bilder und eine Ausstattung zum Schwelgen" - so der Tipp der Expertin.

Nicht verpassen sollten die Bonner auch die von dem Bonner Kabarettisten und Connaisseur Norbert Alich moderierten Trickfilme des Franzosen Georges Mélies; beeindruckende Zeugnisse aus der absoluten Frühphase des Kinos. Eine weitere Empfehlung sind die "Weiblichen Junggesellen" aus dem Jahr 1923; aber in dem emanzipatorischen Ansatz und der Selbstverständlichkeit, mit der dieser in die Tat umgesetzt wird, ihrer Zeit weit voraus.

Nur ein paar Momentaufnahmen, die mehr als nahelegen, dass der Stummfilm seinen Reiz bis heute nicht eingebüßt hat - auch nicht für die Generation Netflix & Co, die ihre Lieblingsfilme und Serien längst zu der von ihnen festgesetzten Zeit in digitaler Qualität abruft. Was ebenso reizvoll sein kann wie nach einem anstrengenden Arbeitstag abends, in der noch angenehm warmen Dämmerung im Innenhof der ehemaligen Alma mater einzufinden, um in zwei Stunden fast 100 Jahre zurückzulegen.

Die frische Luft, die Musik, diese einzigartige Atmosphäre - das lockt Jahr für Jahr mehr als 20.000 Besucher an. Doch das allein würde nicht genügen, besäßen die Filme aus den Pionierzeiten des Kinos nicht zum Teil zeitlose Qualität. Viele von ihnen haben auf ihre Art und Weise Maßstäbe gesetzt; Akzente, die bis heute nachklingen. Weit über die Grenzen von Metropolis hinaus...

Info: Der Eintritt zu allen Veranstaltungen im Arkadenhof ist frei. Einlass ab 19 Uhr. Mehr auf www.film-ist-kultur.de

31. Internationale Stummfilmtage - Bonner Sommerkino. Das Programm :

Donnerstag, 6. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Varieté (Deutschland 1925, 104 min) - Vorfilm: Alles in Schlagsahne (USA 1927, 16 min)

Freitag, 7. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Der Vagabund und das Kind (USA 1921, 66 min) - 22.30 Uhr: Trickfilme von Georges Mélies

Samstag, 8. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Ränke und Menschen (Sowjetunion 1929, 73 min) - 22.30 Uhr: Der Weg des Starken USA 1928, 61 min)

Sonntag, 9. August

  • LVR-Landesmuseum, 15 Uhr: Der Kaufmann von Venedig (Deutschland 1923, 83 min) - 17 Uhr: Orson Welles und Shylock, Vortrag mit Filmausschnitten von Stefan Drößler
  • 21 Uhr, Arkadenhof: Die Beute des Windes (Frankreich 1927, 83 Min) - Vorfilm: Die Abenteuer des Villar (Griechenland 1926, 23 Min)

Montag, 10. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Das unverwüstliche Herz (Japan 1929, 101 Min) - Vorfilm: Busters bunte Bühne (USA 1921, 23 min)

Dienstag, 11. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Blutsbrüderschaft USA 1926, 125 min) - Vorfilm: Der Scheich aus Arabien USA 1927, 8 min)

Mittwoch, 12. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Maimärchen (Tschechien 1926, 115 Min) - Vorfilm: Der große Schluck Großbritannien 1901, 1 min)

Donnerstag, 13. August 2015

  • Weibliche Junggesellen (Schweden 1923, 76 min) - Vorfilm: Doktor Satansohn (Deutschland 1916, 44 min)

Freitag, 14. August

  • Liebe und Pflicht (Taiwan 1931, 152 min)

Samstag, 15. August

  • 21 Uhr, Arkadenhof: Erfahrene Frau gesucht (USA 1929, 70 min) - 22.30 Uhr: Zwei Tage (Ukraine 1927, 66 min)

Sonntag, 16. August 2015

  • 15 Uhr, Landesmuseum: Helena (Deutschland 1924, 214 min) - 21 Uhr, Arkadenhof: Der Widerspenstigen Zähmung (USA 1929, 62 min) - Vorfilm: Der Jüngling aus der Fremde (USA 1927, 20 min)
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