Miniaturpark am Beueler Rheinufer Zirkus den ganzen Sommer über

BONN · Das vom Wurfpfeil durchbohrte Fleckchen Bonn am Ostufer des Rheins besitzt laut Stadtplan nicht mal einen Namen. Aber jeder Frachtschiffkapitän zwischen Basel und Rotterdam kennt diese ausgebuchtete Uferzone, weil sich hier, fern der Fahrrinne, vorzüglich ankern und übernachten lässt.

 Immer in Bewegung: Tango-Begeisterte treffen sich im Sommer an jedem regenfreien Dienstagabend zum Tanz.

Immer in Bewegung: Tango-Begeisterte treffen sich im Sommer an jedem regenfreien Dienstagabend zum Tanz.

Foto: Wolfgang Kaes

Für Landratten hingegen ist die Beschreibung der geografischen Lage eine Frage der Perspektive: Der Uferstreifen liegt "op d'r schääl Sick", wie jene Bonner despektierlich behaupten, die sich selten über die Kennedybrücke bewegen - oder aber auf der Sonnenseite des Lebens, wie die Beueler selbstbewusst versichern.

Weil die Sonne bekanntlich im Westen untergeht und die Bettbreite des Rheins an dieser Stelle gut 450 Meter misst, lässt sich die Sonne richtig viel Zeit, bis sie zu später Stunde als flammend roter Feuerball hinter dem linksrheinischen Schänzchen versinkt.

Das Fleckchen Bonn, um das es hier geht, liegt zwischen dem Ostufer des Flusses und dem ersten Hochwasserdamm, im Norden begrenzt von der Wolfsgasse, im Süden von der Combahnstraße.

Dort, wo die Combahnstraße ans Ufer stößt, lässt sich auf dem Parkplatz am Kriegerdenkmal legal parken; illegal auch woanders, etwa auf sämtlichen schraffierten Flächen, denn in diesen Abschnitt der Rheinaustraße verirrt sich aus unerklärlichen Gründen nie eine Politesse. Dem Kriegerdenkmal vis-à-vis befindet sich der Kiosk mit dem schönen Namen "Zum Hochwasser".

Der türkische Betreiber bietet vom belegten Brötchen über frisch gebrühten Kaffee und eisgekühlte Getränke bis zum Lesestoff so ziemlich alles feil, was zu einem geglückten Kurzurlaub am Rhein benötigt wird.

Wer das Fleckchen kennt und Tango-Klänge vernimmt, wähnt sich nicht etwa im derzeit winterlichen Buenos Aires, sondern weiß auf der Stelle, dass wir Sommer und Dienstagabend haben. Denn dann, von Ende Juni bis in den September, treffen sich hier seit 14 Jahren an jedem regenfreien Dienstag von 20 bis 22 Uhr Menschen, die sich für den argentinischen Paartanz begeistern.

Der Platz südlich des Bahnhöfchens wird zuvor säuberlich gekehrt, Windlichter säumen die Tanzfläche aus Verbundpflaster, bis zu zwei Dutzend Paare bewegen sich alsbald im Tango-Takt, legen Kopf an Kopf, schließen die Augen und blenden für zwei Stunden die restliche Welt aus.

Die Tango-Begeisterten kommen unangemeldet - als Paare oder solo. Es findet sich immer ein Tanzpartner, und nach alter, nämlich argentinischer Tango-Tradition wird ohnehin nach drei Tänzen der Partner gewechselt.

Weiter geht's über den Radfahrweg nach Norden, vorbei am ersten Sandstrand (Beuel hat davon natürlich mehrere), vorbei an Anglern und Sonnenanbetern, bis zu jener Stelle, an der sich der Radfahrweg zweigt und zu einer Wiese hin öffnet.

Die Wiese war einmal der Rangierbahnhof für die Schmalspur-Züge der Bröltalbahn, die Erze und Blei, Kohle und Kalk aus dem Westerwald und aus dem Bergischen Land zum Rhein transportierten und hier bis weit in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Bäuche der Frachtschiffe fütterten. Und für die Passagiere der Personenzüge war von 1891 bis 1951 das Bahnhöfchen da.

Später, nachdem die Kräne und Rangiergleise längst demontiert waren, gastierte auf der Wiese einmal der weltberühmte Zirkus Flic Flac. Doch auch heute erinnert die Wiese am Ufer des Rheins im Sommer an einen großen Zirkus. Der Eintritt ist frei, und wer nur Zuschauer oder aber Artist sein will, bleibt jedem selbst überlassen. Das Programm wechselt mehrmals jährlich.

Mal hat der brasilianische Capoeira Saison, eine elegante Mischung aus Kampfkunst und Tanz, mal balancieren junge Leute geschickt über Gummibänder, die sie zwischen Bäumen spannen, mal haben Frisbee-Scheiben Konjunktur, mal Einräder, mal Jonglierkeulen. Und wie man mit zwei Basketbällen gleichzeitig dribbelt, ohne sich Arme und Beine zu verknoten, lässt sich hier ebenfalls hin und wieder bestaunen.

Immer wieder sonntags erscheint eine indische Großfamilie in der Arena: sieben Kinder wie die Orgelpfeifen, aber nur drei Fahrrädchen, immerhin in verschiedenen Größen. Damit sausen die Kleinen allein oder zu zweit um das letzte Stück Gleis der Schmalspurbahn herum, und der Rest rennt brav hinterher. Alle drei Runden wird artig gewechselt, wie beim Tango.

Unangefochtener Star unter den Artisten ist jedoch in dieser Saison - kein Mensch, sondern ein Hund: Ein Border Collie, der mit seinen zweibeinigen Freunden Fußball spielt und routiniert mit der Schnauze köpft, mindestens so treffsicher wie Miroslav Klose, allerdings spurtstärker als der 127-fache Nationalspieler.

Man darf aber auch einfach gar nichts tun in diesem Miniaturpark. Man kann sich auf eine der Bänke setzen und dem Fluss beim Fließen zuschauen. Probieren Sie's mal aus: Es beruhigt ungemein.

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