Virtuelle Raumflüge Sternwarten setzen auf Attraktionen aus dem Weltall

Görlitz · Nicht nur bei Sonnenfinsternis und Co sind Sachsens Sternwarten gut besucht. Ihre Expertise ist auch sonst gefragt, um astronomisches Wissen zu vermitteln. Einige investieren dazu in neue Technik.

 In der 1967 eröffneten Anlage in Rodewisch steht ein neues Spiegelteleskop mit 50 Zentimetern Durchmesser künftig im Mittelpunkt der neu hergerichteten Holzkuppel. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

In der 1967 eröffneten Anlage in Rodewisch steht ein neues Spiegelteleskop mit 50 Zentimetern Durchmesser künftig im Mittelpunkt der neu hergerichteten Holzkuppel. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Foto: Jan Woitas

Auf dem Dach der Sternwarte in Rodewisch stehen Veränderungen an. Fast automatisch geht der Blick von hier über die Hügellandschaft des Vogtlandes in den Himmel. Nun finden fünf neue Beobachtungsinstrumente ihren Platz.

„Es gibt unterschiedliche Instrumente für unterschiedliche Himmelskörper“, sagte der Leiter von Sternwarte und Planetarium, Olaf Graf, in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Ein neues Spiegelteleskop mit 50 Zentimetern Durchmesser steht künftig im Mittelpunkt in einer neu hergerichteten Holzkuppel, die sich öffnen lässt. „Die Erneuerung war dringend notwendig.“

Teure Sanierungen an der Warte

Denn die Sternwarte, die 1967 eröffnet wurde, ist in die Jahre gekommen. Seit 2016 laufen die Erneuerungen - erst im Planetarium als dem wichtigsten Vorführungsraum, am Aufgang zur Kuppel, jetzt die Beobachtungstechnik. Mehr als 400.000 Euro flossen als Infrastrukturförderung. Dies sei möglich geworden, da ein Schwerpunkt in Rodewisch der weltraumbezogene Aktiv- und Besichtigungstourismus sei, erklärte das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage.

Damit ist man in Rodewisch nicht allein. Die Zeiten, in denen solche Einrichtungen in Sachsen wissenschaftliche Beobachtungen geliefert haben, seien seit den 1990er Jahren vorbei, erklärte Graf. „Wir vermitteln heute astronomisches Wissen. Das ist unsere Hauptaufgabe.“ Eine Sternwarte beobachtet mit Instrumenten den Sternenhimmel live; ein Planetarium zeigt den Besuchern einen mit Projektoren künstlich erzeugten Sternenhimmel. „Dabei sind Perspektivwechsel möglich, virtuelle Raumflüge können simuliert werden.“ Da die Einrichtungen inzwischen auf die touristische Nutzung angewiesen sind, seien die integrierten Planetarien für die Besucher besonders wichtig.

In der DDR sind laut Graf viele Sternwarten entstanden. „Das ist ein ostdeutsches Phänomen, weil Astronomie ein fester Bestandteil des Lehrplans war.“ Heute kann es als Wahlfach unterrichtet werden. Die noch heute hohe Dichte der Sternwarten in Ostdeutschland sei auch ein Problem, findet Graf. „Wir müssen schauen, wie wir über die Runden kommen. Als touristische Einrichtung haben wir nicht den großen Einzugsbereich wie beispielsweise Bayern.“ Mit Events bei spektakulären Himmelsereignissen könnten neue Besucher angelockt werden - bei einer Sonnenfinsternis, wenn ein Komet vorbeifliegt oder seltene Polarlichter in der Region zu sehen sind.

Astronomisches Wissen vermitteln

42 Planetarien bei 18 Millionen Einwohnern gab es in der DDR, wie der Vorsitzende des Görlitzer Sternfreunde-Vereins , Lutz Pannier, erklärte. „Die DDR war das Land mit den meisten Einrichtungen pro Person. Viele Kommunen konnten sich danach den Erhalt nicht mehr leisten.“ Görlitz stand 2006 vor dem Aus. „Durch großes Engagement konnten wir uns einigen.“ Das Gebäude der Scultetus-Sternwarte mit Planetarium gehört seitdem der Stadt, die Görlitzer Sternfreunde mit 25 Mitgliedern übernehmen die Nutzung mit 10.000 Besuchern pro Jahr. „Weitere Anfragen müssen wir absagen. Wir machen das ehrenamtlich.“ Da die erste Sternwarte der Stadt 1856 gegründet wurde, zählt sie laut Pannier zu den ältesten Einrichtungen dieser Art.

Die Planetarien bieten eine Wissensvermittlung über einen Fachbereich, der in den Schulen oft zu kurz kommt, wie Steffen Georgi vom Zeiss-Planetarium und Sternwarte in Schneeberg erläuterte. Mit den Himmels-Projektionen durch Beamer, Videotechnik und Co in die halbrunden Kuppeln sei eine Art Kino über den Sternenhimmel möglich, erklärte der Leiter des Kulturzentrums des Erzgebirgskreises, zu dem die Einrichtung gehört. Mehr als 9000 Besucher zählt sie pro Jahr. Nach umfangreicher Sanierung für über eine halbe Million Euro im Jahr 2019 hoffen die Schneeberger nach Corona auf steigende Gästezahlen.

Mehr Unterstützung würde sich Peter Schilling vom Astronomischen Zentrum mit Sternwarte in Schkeuditz wünschen, das zusammen mit der Einrichtung in Eilenburg die Sternwarte Nordsachsen bildet. Als Anlaufstelle für 6000 astronomisch interessierte Menschen aus Leipzig und Umgebung hofft er auf neue Projektionstechnik. „Fördergelder helfen nur punktuell bei bestimmten Umbauten“, sagte Schilling. Eine grundsätzliche Förderung solcher Einrichtungen gebe es in Sachsen nicht, erklärten das Ministerium für Regionalentwicklung und das Wirtschaftsministerium. Über das Leader-Programm könnten aber Einzelmaßnahmen unterstützt werden.

Drehbacher Sternwarte als Entdecker und Namensgeber

Solche Investitionen gab es im Zeiss-Planetarium und der Volkssternwarte Drebach im Erzgebirge. In der Leader-Förderperiode bis 2020 kamen 20.000 Euro für ein Teleskop und ein neues Kinderprogramm. Enthusiastische Hobbyastronomen der kleinen Gemeinde gehören zu den wenigen, die noch wissenschaftliche Beiträge liefern. „Aber ausschließlich in der Freizeit“, sagte Leiter Jens Kandler.

Über 130 Kleinplaneten wurden durch die Drebacher Sternwarte entdeckt, mehrmals war sie nach erfolgreichem Vorschlag bei der Internationalen Astronomischen Union auch Namensgeber. Einzelne Himmelskörper, die sich hauptsächlich zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter befinden, heißen nach dem erzgebirgischen Volkshelden Karl Stülpner, dem Fichtelberg oder dem Skispringer Jens Weißflog.

© dpa-infocom, dpa:210406-99-98805/3

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