Ehemaliger Unionsfraktionschef Friedrich Merz kündigt Kandidatur für CDU-Vorsitz an

Berlin · Lange hatte er nur sein Umfeld kommunizieren lassen. Nun erklärt Friedrich Merz offiziell, dass er sich um den CDU-Vorsitz bewerben will. Derweil wächst der bei der CSU der Druck auf Horst Seehofer. Und die SPD sucht ein Zukunftsrezept.

 Friedrich Merz im Juni bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats.

Friedrich Merz im Juni bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats.

Foto: Jens Büttner

Mit Friedrich Merz will im Dezember auf dem CDU-Parteitag in Hamburg einer der schärfsten Gegner von Angela Merkel um ihre Nachfolge als Parteichef kandidieren.

Der 62 Jahre alte frühere Unionsfraktionschef teilte am Dienstag offiziell mit: "Ich habe mich nach reiflicher Überlegung und nach zahlreichen Gesprächen entschieden, auf dem Bundesparteitag in Hamburg für den Vorsitz der Christlich Demokratischen Union Deutschlands zu kandidieren."

Damit tritt Merz bei der Wahl am 7. Dezember auf dem Parteitag in Hamburg gegen CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und drei weitgehend unbekannte weitere Bewerber an. Es kommt zur Richtungswahl zwischen dem Merkel-Kurs und einem mehr konservativ und wirtschaftsliberalen Kurs.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet ließ eine Kandidatur beim Parteitag bisher offen. CDU-Vize Julia Klöckner will Merkel nicht beerben. Sie habe nicht vor anzutreten, sagte sie dem Radiosender SWR1. Klöckner forderte, dass es auch beim Groko-Partner SPD Konsequenzen gibt. Der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" sagte sie, die SPD müsse endlich klären, wer das Sagen habe: "Andrea Nahles, Olaf Scholz oder der linke Parteiflügel."

Merkel hatte am Montag nach den schweren Verlusten ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen angekündigt, beim CDU-Parteitag im Dezember nach 18 Jahren an der Spitze nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Kanzlerin will sie aber bis 2021 bleiben - sofern die große Koalition bis dahin hält.

In der SPD wird vor allem Seehofers Agieren als Innenminister und CSU-Chef eine Hauptschuld für das schlechte Erscheinungsbild der Regierung gegeben. Parteichefin Nahles verlangt bis Dezember eine Klärung, "wie die Union ihre inhaltlichen und personellen Konflikte so lösen will, dass die Regierungsarbeit davon nicht weiter negativ berührt wird".

Bei der CDU wird in den nächsten Wochen ein interessanter interner Wahlkampf erwartet. Merz hatte schon am Montag seine Kandidatur angemeldet, aber nur über sein Umfeld. Der Jurist, der alles andere als ein Anhänger der bisherigen CDU-Chefin ist, erklärte nun lapidar: "Angela Merkel verdient Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen in 18 Jahren an der Spitze der Partei. Damit hat die CDU Deutschlands nun die Chance, sich neu aufzustellen und eine neue Parteiführung zu wählen."

Der 62-Jährige fügte hinzu: "Wir brauchen in der Union Aufbruch und Erneuerung mit erfahrenen und mit jüngeren Führungspersönlichkeiten." Merz hatte sich schrittweise aus der Politik zurückgezogen, nachdem er 2002 bei der Wahl zum Vorsitzenden der Unionsfraktion gegen Merkel unterlegen war, und arbeitete danach vor allem als Rechtsanwalt.

Christian von Stetten, Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion, meinte: "Als Parteivorsitzender wird Friedrich Merz den CDU-Mitgliedern und Anhängern die verlorene Würde und ihren Stolz zurückgeben." Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, betonte, nötig sei ein inhaltliches und personelles Gesamtangebot, das die CDU wieder zu einer erfolgreichen Volkspartei mache.

Der angekündigte Verzicht von Kanzlerin Merkel auf den CDU-Vorsitz erhöht derweil auch den Druck auf CSU-Chef Horst Seehofer. Mehrere CDU-Politiker aus den Ländern forderten offen den Rückzug des Bundesinnenministers von der CSU-Spitze. "Angela Merkel hat es geschafft, einen selbstbestimmten Abgang als Parteivorsitzende zu gehen, das wünsche ich auch dem Kollegen Horst Seehofer", sagte Saar-Ministerpräsident Tobias Hans der "Welt".

Der hessische CDU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Brand, machte vor allem Seehofer für das Wahldesaster der Union in Hessen und Bayern verantwortlich. "Wer sein Ego über die Verantwortung stellt und mehr nach pathologischen als nach politischen Maßstäben agiert, darf sich nicht wundern, wenn Leute sich mit Wut und Entsetzen abwenden", sagte er der "Fuldaer Zeitung".

In der CSU wird seit den massiven Verlusten bei der bayerischen Landtagswahl über die Einberufung eines Sonderparteitages Anfang Dezember mit vorgezogenen Vorstandswahlen diskutiert. Zunächst will die Parteiführung die Koalitionsverhandlungen mit den Freien Wählern abschließen. In der CSU gibt es seit der Wahl am 14. Oktober auf praktisch allen politischen Ebenen Forderungen an Seehofer, den CSU-Vorsitz aufzugeben. Seine Amtszeit endet eigentlich Ende 2019.

Bei der SPD gibt es vorerst keine personellen Konsequenzen, Parteichefin Andrea Nahles ist auch erst sechs Monate im Amt. Doch nach den riesigen Verlusten in Bayern wie Hessen von jeweils 10,9 Prozentpunkten und dem Umfrageabsturz im Bund auf 14 bis 15 Prozent hinter Union, Grüne und AfD will Nahles das Profil schärfen und interne Konflikte etwa in der Kohle- und Klimapolitik schneller als geplant klären.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor zeigte sich offen für eine Urwahl der Merkel-Nachfolge. Ein solches Verfahren, wenn es denn möglich sei, könne eine "breite Akzeptanz für den neuen Parteichef in der CDU schaffen", sagte Amthor der "HuffPost". Vom neuen CDU-Chef erwartet er "Zukunftsmut und Debattenkultur". "Wir brauchen einen selbstbewussten Patriotismus ... Wir müssen zum Beispiel das Thema Leitkultur schärfen", sagte Amthor und hat dabei offensichtlich Merz im Blick, der dieses Thema gesetzt hatte.

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