40 Jahre GA-Wandertag Lebensader und Kraftquelle

Wahnbachtalsperre · In diesem Jahr wird der GA-Wandertag 40 Jahre alt. Aus diesem Grund zeigt der GA noch einmal die schönsten Wandertags-Touren. Heute gibt's Erinnerungen an die Tour um die Wahnbachtalsperre von 2014.

Ein Knistern im Laub, ein Rascheln im Geäst, das sanfte Plätschern eines Baches: Auf einsamen Pfaden verläuft der Weg rund um das grünlich schimmernde Wasser der Wahnbachtalsperre. Es ist ein Ort voller Leben – und zugleich eine Stätte der Ruhe.

Auf den von Baumwurzeln, Siefen und Laub übersäten Wegen sind nur selten Menschen anzutreffen, wohl aber jede Menge Tiere. Rehe kreuzen immer wieder die schmalen Pfade, Vögel geben hörenswerte Konzerte, Ameisen errichten am Wegesrand ihre erdigen Domizile. Dass rund um den Stausee derart viele Tiere zu beobachten sind, hat einen simplen Grund. Das Wahnbachtal ist ein bevorzugter Lebensraum. „Biotope am Wasser sind in der Regel deutlich artenreicher als solche ohne ein angrenzendes Gewässer“, erklärt Ralph Krämer vom Wahnbachtalsperrenverband.

143 Vogelarten wurden seit 1969 im Bereich der Talsperre beobachtet – vom Eisvogel über den Haubentaucher bis hin zum Schwarzstorch. Etwa ein Drittel der Vogelarten hat sich nur wegen des Stausees hier niedergelassen. Dessen Steilufer und Wassertiefe machen ihn als Brutplatz zwar weniger geeignet. Allerdings ist die Talsperre besonders von Oktober bis April ein beliebtes Rast-, Ruhe- und Nahrungsgewässer für durchziehende und überwinternde Wasservögel.

Doch nicht nur Wasservögel leben an der Talsperre, sondern auch Greifvögel wie der Rote Milan oder der Fischadler. Hinzu kommen diverse Singvögel wie die Feldlerche, der Zaunkönig oder die Gebirgsstelze. Sie alle sind kaum zu überhören, wenn der Weg rund um die Talsperre auf menschenleeren Pfaden in den Wald eintaucht. Es geht bergauf und bergab, teilweise führt der Weg bis ans Wasser heran, wo sich unter der glitzernden Oberfläche ein weiterer Lebensraum für Talsperrenbewohner verbirgt – unzählige Fische tummeln sich in den Tiefen des Sees.

Mindestens 18 unterschiedliche Arten sind hier zu Hause. Die meisten von ihnen wurden künstlich im Stausee angesiedelt. Daher muss ihr Bestand bis heute reguliert werden. Das gilt vor allem für das Blaufelchen (auch Bodenseefelchen). Der bläulich schimmernde Süßwasserfisch wurde Mitte der 1960er Jahre in die Talsperre eingesetzt. Seitdem hat er sich schnell vermehrt. Keine Art kommt in der Talsperre häufiger vor.

Das ist nicht ganz unproblematisch: Denn die Blaufelchen ernähren sich von Wasserflöhen und anderem Zooplankton. Die Population dieser Kleinsttiere dürfe jedoch keinesfalls abnehmen, warnt Gabriele Packroff, Biologin und Laborleiterin beim Wahnbachtalsperrenverband. „Die Planktonkrebstiere haben eine positive Wirkung auf die Wasserqualität, weil sie sich von Algen ernähren und auf diese Weise ihr Wachstum verringern.“ Die Lösung: Biomanipulation. Der Verband hat Hechte und andere Raubfische in den See einsetzen lassen. Sie regulieren auf natürliche Weise den Bestand der Blaufelchen und sorgen neben einer gezielten Befischung durch den Menschen für das Gleichgewicht in der Talsperre. So werden laut Packroff gleich zwei wichtige Aspekte miteinander verbunden: „Unser Ziel ist die Schaffung eines naturnahen Sees und gleichzeitig die Sicherung der Trinkwasserqualität.“

Das Wasser aus dem Wahnbachtal ist demnach nicht nur Lebensraum, sondern auch Lebensgrundlage. Das gilt für die hier lebenden Tiere, wie auch für die hier lebenden Menschen. Neben dem Rhein-Sieg-Kreis werden die Stadt Bonn und der Kreis Ahrweiler mit Wasser aus der Talsperre beliefert. Um dessen Qualität zu gewährleisten sind viele Schritte nötig. Wanderer können diese auf dem Talsperrenweg nachvollziehen. So führt ein kleiner Pfad bergab durch den Wald geradewegs auf die Phosphor-Eliminierungs-Anlage zu. Entlang des Übergangs auf die andere Seite der Talsperre erklären Infotafeln die dortige Prozedur. Gleiches gilt für den Staudamm. Hier stehen zwei Holzhütten mit Infoschildern.

Doch woher kommt eigentlich das Wasser, das in der Wahnbachtalsperre zu einem großen Stausee aufgefangen wird?

Beim namensgebenden Wahnbach handelt es sich um einen Mittelgebirgsbach. Seine Quellen liegen in der Ortschaft Drabenderhöhe im nördlichen Mucher Land am Abhang des Heckberges. Eine von ihnen ist der etwa zwölf Meter tiefe Brunnen im Keller des Heimatmuseums „Grüne Scheune“. Darüber hinaus wird die Talsperre von einigen kleineren Bächen gespeist. „Es handelt sich um etwa 20 größere Siefen, die in die Talsperre einfließen. Hinzu kommen rund 25 sehr winzige Wasserläufe“, berichtet Ralph Krämer vom Wahnbachtalsperrenverband.

Auf dem Rundweg um den Stausee sind letztere kaum zu übersehen. Immer wieder kreuzen kleine Bäche den Weg. Ihr sanftes Dahinplätschern wirkt beruhigend. Und überhaupt: Im Wahnbachtal scheinen die Uhren langsamer zu schlagen. Das gilt auch für das direkt am Wald gelegene Fachwerkdorf Pinn. Hier lebt Dorothée Boldt mit ihrem Mann.

Vor mehr als 30 Jahren hatte das Ehepaar seine Zelte in der Bonner Südstadt abgebrochen und war nach Pinn an die Wahnbachtalsperre gezogen. Dass die Wahl damals ausgerechnet auf das Fachwerkdorf am See fiel, war kein Zufall: „Zwei Jahre zuvor hat uns ein Freund aus Neunkirchen das kleine Dorf gezeigt. Für ihn ist es bis heute einer der schönsten Orte der Welt“, erinnert sich Boldt. Auch ihr Mann sei sofort begeistert gewesen. Und als in der Zeitung ein Restbauernhof in Pinn zum Verkauf angeboten wurde, habe er nicht lange gefackelt.

„Wir wollten damals unbedingt von der Stadt aufs Land ziehen. Ich liebe die Freiheit hier. Das bergische Land ist abwechslungsreich, das Klima wunderbar“, bereut die 55-Jährige ihre spontane Entscheidung bis heute nicht.

Mittlerweile ist der frühere Bauernhof restauriert. Statt Stalltieren stehen hier nun Skulpturen, Bilder hängen an der Wand. Die Scheune wurde zur „Galerie Sattelgut“. Regionale Künstler stellen hier mittlerweile ihre Werke aus.

„Die meisten Wanderer, die hier vorbeikommen, rechnen nicht damit, in einem kleinen Dorf wie Pinn auf eine Galerie zu treffen“, erklärt Boldt. Dadurch kämen aber häufig interessante Gespräche zustande.

Vor allem aber seien die meisten Wanderer verzaubert von Pinn und der Landschaft. Und das gelte auch für sie selbst, obwohl sie bereits seit 1984 hier lebe. Von ihrer Galerie brauche sie nur 15 Minuten, um zu ihrem Lieblingsort zu gelangen: Vom Münchenberg könne sie über das Wasser hinweg bis weit hinüber zum Siebengebirge und nach Bonn schauen. „Beim Blick über den See empfinde ich ein Gefühl von Freiheit“, sagt Boldt. „Als ich zum ersten Mal dort oben stand, dachte ich, ich sei in Kanada. Der große See, der Wald, die bergige Landschaft: Das alles hat bei mir diese Assoziation erzeugt. Die Ferne bewirkt ein Gefühl von Distanz, das die Sorgen des Alltags vergleichsweise klein erscheinen lässt."

Es sind solche Eindrücke, die den Talsperrenweg zu einem Erlebnis machen. Die Ruhe, die Abgeschiedenheit, die Nähe zur Natur: Das Wahnbachtal ist nicht nur Lebensraum, sein Wasser ist zugleich Lebenselixier und Kraftquelle.

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