GA-Interview So legte Klaus Grewe den Eisernen Mann im Kottenforst frei

Swisttal · Die 30 Kilometer lange Strecke des GA-Wandertags führt auch am Eisernen Mann im Kottenforst vorbei. Über den sagenumwobenen Pfosten spricht Professor Klaus Grewe im GA-Interview.

 Im Jahre 1978 legte Klaus Grewe (oben) mit Helfern den Eisernen Mann im Kottenforst frei.

Im Jahre 1978 legte Klaus Grewe (oben) mit Helfern den Eisernen Mann im Kottenforst frei.

Foto: Klaus Grewe

Sie gelten als der Experte in Sachen Eiserner Mann, haben Ihre Forschungsergebnisse vor 40 Jahren in einem kleinen Buch zusammengefasst. Wie kamen Sie darauf, dieses Stück Metall auszugraben?

Klaus Grewe: Schuld daran war Erich von Däniken. Er hatte 1972 in seinem Buch „Aussaat und Kosmos“ behauptet, der Eiserne Mann sei eine Landemarke Außerirdischer gewesen, sie hätten ihn 28 Meter tief in die Erde gerammt. Die einfachste Methode, von Däniken zu widerlegen, war es, das Ding auszugraben. Ich hatte sowieso nie an seine Theorie geglaubt.

Warum?

Grewe: Allein schon deshalb, weil es im Mittelalter keine Gießereien gab, die 28 Meter lange Eisenbarren herstellen konnten.

Wie kam er auf solch abstruse Gedanken?

Grewe: Die hatte er von seinem Kölner Zahnarzt, wenn ich mich recht erinnere. Außerdem schrieb er noch etwas von einem unterirdischen steinernen Gangsystem in der Umgebung. Er meinte damit möglicherweise den Römerkanal.

Nicht sehr wissenschaftlich, diese Vorgehensweise. Er stellte sogar Parallelen zu einem Eisenpfeiler im Tempelhof von Delhi in Indien her und mutmaßte, diese Teile hätten Götter bei einem Besuch auf der Erde hinterlassen. Dem Verkauf seiner Bücher hat dies keinen Abbruch getan. . .

Grewe: So ist es. Es war leicht, seine Behauptungen zu überprüfen. Aber mit von Däniken wollte sich damals keiner anlegen. Er war sehr populär. Ich war damals als Vermessungs-Ingenieur beim Rheinischen Landesmuseum angestellt und beschäftigte mich mit antiken Technikbauten wie etwa der römischen Eifelwasserleitung. Normalerweise hätte ich den Pfosten nicht ausgegraben, denn die Archäologie befasst sich vorwiegend mit der Sicherung gefährdeter Objekte.

Wie sind Sie die Ausgrabung angegangen?

Grewe: Genau genommen haben wir ihn nicht ausgegraben und aus dem Erdreich gelöst, sondern nur freigelegt. Wir – außer mir noch ein Arbeiter und ein Techniker – haben dort eine Woche gearbeitet. Mit dem Bagger haben wir am Eisernen Mann zunächst einen zwei Meter tiefen Schnitt angelegt. Man kann sich diesen wie ein großes Tortenstück vorstellen. Die Profile haben wir von Hand mit Kellen bearbeitet. Das Ding steckte ja nur einen Meter in der Erde. Es hatte unten allerdings ein T-förmiges Endstück – genau wie es in einer Urkunde von 1625 beschrieben war.

Wie bewerten Sie das Ergebnis der Grabung heute?

Grewe: Die Grabung war ein Erfolg. Denn wir konnten nun wissenschaftlich beweisen, dass der Eiserne Mann ein Vermessungspunkt im Schneisensystem im Kottenforst des Kurfürsten Clemens August war. Der archäologische Befund bestätigte meine Annahme und widerlegte von Däniken. An dessen Theorien hatte ja sowieso kein ernstzunehmender Mensch geglaubt.

Hat von Däniken in irgendeiner Weise auf das Forschungsergebnis reagiert?

Grewe: Bei mir hat er sich nicht gemeldet. Aber ich glaube, in der Neuauflage seines Buches wurde die den Eisernen Mann betreffende Passage gestrichen.

Warum haben Sie den Eisernen Mann nicht ganz ausgegraben?

Grewe: Wir hatten ja alle Elemente, die uns interessierten: das Profil, die Tiefe und die Form. Um das Material zu bestimmen, haben wir eine Probe abgesplittet, die von den Eisenhüttenleuten an der RWTH Aachen untersucht wurde. Das Ergebnis war nicht überraschend. Primär bestand der Pfosten aus Gamma-Mischkristallen und Ledeburit, eine typische, rein irdische Zusammensetzung von Holzkohlenroheisen.

Wie war die Resonanz auf Ihre Forschung?

Grewe: Bei der Arbeit selbst haben uns jede Menge Leute zugeschaut. Einige Monate später habe ich das Ergebnis unserer Arbeit in einem kleinen Buch publiziert.

Konnten Sie das Alter des Eisernen Mannes bestimmen?

Grewe: Allein durch das Material ist dies nicht exakt möglich. Aus Urkunden können wir aber schließen, dass der Barren etwa im Spätmittelalter gegossen worden sein könnte.

Welchem Zweck diente er?

Grewe: Solche Eisenbarren – der Fachmann spricht von Masseln – wurden als Rohmaterial für das Schmieden verwendet. Sie wurden in ein Gestell eingespannt und langsam an das Feuer geschoben. Der Schmied stellte aus dem glühenden Eisen dann beispielsweise Werkzeug her.

Dieser Barren wurde aber nicht eingeschmolzen, sondern zunächst als Grenzstein benutzt.

Grewe: Ja. Laut einer Urkunde stand ab er 1625 ein paar Hundert Meter entfernt vom heutigen Standort auf der Grenze zwischen den Gemeinden Heimerzheim und Alfter.

Warum wurde er an die heutige Stelle versetzt?

Grewe: Er eignete sich gut als Markierung des Hauptvermessungspunktes für den Ausbau der Schneisen zur Parforcejagd, die Kurfürst Clemens August ab 1727 im Kottenforst bauen ließ. Er steht auf der Planungshauptlinie zwischen Brühl und dem heute nicht mehr existierenden Jagdschloss Herzogsfreude in Röttgen.

Wie sah der Wald damals aus?

Grewe: Der Kottenforst war ziemlich feucht und morastig. Die Schneisen sind deshalb als Dämme angelegt worden – sie dienen heute als Wirtschafts- und Wanderwege.

Wie erklären Sie sich den Mythos Eiserner Mann?

Grewe: Die Menschen neigen dazu, um Dinge, die sie sich nicht erklären können, Legenden zu bilden. Herkunft, Beschaffenheit und Bedeutung des Eisernen Mannes waren lange nicht bekannt.

Welche Legenden kennen Sie?

Grewe: Amüsant ist die Sage, dass heiratswillige Mädchen einen Mann bekommen, wenn sie den Eisernen Mann dreimal umrunden und küssen.

Man nahm auch an, er könne aus römischer Zeit stammen, schon allein wegen der Nähe zum Römerkanal.

Grewe: Aus der Römerzeit sind Eisenbarren dieser Form und Größe nicht bekannt.

Wie erklärt sich die Form?

Grewe: Dazu muss man sich den Eisernen Mann liegend vorstellen. Die Oberfläche ist leicht konkav gewölbt, da sie an der Luft erkaltete. Die porige Unterkante und die Seitenflächen entsprechen dem Sandbett, in dem der Barren gegossen wurde. Das T-förmige Ende diente dem besseren Transport und der besseren Handhabung bei der Weiterverarbeitung.

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