"Du wachst morgens auf und ziehst einfach weiter"

Schüler sprechen mit Obdachlosen, die in der Bonner Innenstadt um Geld bitten oder Schuhe putzen - Artikel des Bonner Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums, Klasse 8b

"Du wachst morgens auf und ziehst einfach weiter"
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Ein Mann sitzt vor einem Geschäft und will sich mit Schuheputzen Geld verdienen. Passanten gehen an ihm vorbei und schauen abschätzig zu ihm hinunter. Es ist für sie eine alltägliche Situation, weil Obdachlose mittlerweile an jeder Ecke sitzen.

Wir haben vier Betroffene interviewt. Sie wollen anonym bleiben und nennen daher nicht ihre Namen. Sie sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. Der Schuhputzer, wir nennen ihn Elmar. Er erzählt uns, dass er 47 Jahre alt ist und 17 Monate lang obdachlos war. Die Schuld dafür, gibt er der Oberbürgermeisterin, kann aber nicht genau erklären, warum.

Er verdient sich durch Schuheputzen etwas Geld dazu, vom Sozialamt bekommt er 351 Euro im Monat. Die Obdachlosigkeit ertrug Elmar nur sehr schwer: "Es ist sehr hart! Man hat zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig." Er meint, in Bonn sei Obdachlosigkeit besonders hart, weil es nur drei Obdachlosenheime gebe, die immer restlos gefüllt wären.

Dabei hätte er auch zu seinen Verwandten ziehen können. Aber er sagt, dass er niemandem habe zur Last fallen wollen. Obwohl er nun ein Dach über dem Kopf hat, hat die Obdachlosigkeit ihn doch stark geprägt: Seine Freunde sind ausschließlich Obdachlose, und seinen Sohn holt Elmar nicht zu sich, obwohl er ihn vermisst.

Er hat jetzt viele Freunde. Sein einziger Traum für die Zukunft ist, vielleicht eines Tages auszuwandern und woanders sein Glück zu machen, doch eigentlich hat er die Hoffnung darauf schon aufgegeben. Elmar möchte sich auch keine andere Arbeit mehr suchen, weil er sich schon zu alt dafür fühlt.

Wir befragen einen anderen Obdachlosen, den wir hier Friedrich nennen. Im Gegensatz zu Elmar zieht er die Obdachlosigkeit sogar einem festen Wohnsitz vor. ,,Es ist einfach besser, du wachst morgens auf und ziehst einfach weiter. In einer Wohnung gibt es von allen Seiten nur Krach! Und man muss die Miete bezahlen."

Aber mit dieser Meinung ist er eine Ausnahme, denn die meisten, die wir befragt haben, wollen wieder in eine Wohnung ziehen und ein Dach über dem Kopf haben. Die anderen haben auch noch Hoffnungen und Träume, auch wenn das für sie das einzige ist, was ihnen geblieben ist.

Friedrich bezeichnet sich selbst als ,,Gammler' und weiß nicht, wie alt er ist. Seit 1968 ist er auf der Straße, er fühlt sich frei. Wenn Passanten ihn angucken, guckt er einfach zurück. Mit seinem Hund ist er schon durch fast ganz Deutschland gezogen. Früher wollte er auswandern, heute hat er sich damit abgefunden, dass er das nicht kann.

Er macht sich über die Zukunft keine Gedanken mehr. ,,Es kommt, wie es kommt, und vielleicht bist du übermorgen schon tot.' Auch er versucht sich etwas Geld zu verdienen, doch für Obdachlose ist das schwer, denn sie müssen täglich fünf Euro Sondernutzungsgebühr an die Stadt zahlen.

Es gibt aber für sie noch eine andere Möglichkeit, an Geld zu kommen. Denn Obdachlose verkaufen auch Zeitschriften, so zum Beispiel "fiftyfifty. Das Straßenmagazin." Das ist eine Zeitschrift, die früher nur an Obdachlose gerichtet war, jetzt aber auch Passanten angeboten wird. Der Erlös kommt Obdachlosen zugute.

Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, Klasse 8b

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