NSDAP Ein Stolperstein für den Ur-Ur-Opa

Josef Müller leistete als Sozialdemokrat in Aachen Widerstand gegen die Nazis.

Josef Müller.

Josef Müller.

Anfang des Jahres wurde in meiner Schule zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus das Theaterstück „Der gelbe Vogel“ aufgeführt. Dieses Thema hat mich besonders berührt, weil auch mein Ur-Ur-Großvater davon betroffen war.

Mein Ur-Ur-Großvater Josef Müller war, wie auch schon seine Eltern, Sozialdemokrat in Aachen. Außerdem war er Ratsmitglied und Gewerkschaftssekretär. Das heißt, er hat sich für die Rechte von Arbeitern eingesetzt.

Weil er bei den Aachener Bürgern sehr beliebt war, sollte er Mitglied der NSDAP, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, werden, deren Vorsitzender Adolf Hitler war.

Josef Müller weigerte sich aber, Parteimitglied zu werden, weil er gegen die Politik der Nazis war. Stattdessen wollte er die Bevölkerung über die Machenschaften dieser Partei aufklären. Deswegen beteiligte er sich an der Verbreitung von geheimen Schriften, die so klein geschrieben waren, dass man sie nur mit einer Lupe lesen konnte.

Diese Zettel wurden im Ausland gedruckt und entweder in Hauseingänge gelegt oder bei geheimen Treffen verteilt. Außerdem half Josef Müller Juden, die auf der Flucht ins Ausland waren, und gewährte ihnen Unterschlupf in seiner Wohnung.

1941 wurde er zum ersten Mal wegen der Verbreitung staatsfeindlicher Schriften und des Abhörens feindlicher Sender verhaftet. Nach einem halben Jahr entließ man ihn aus Mangel an Beweisen. Dass man ihm so lange nichts nachweisen konnte, war sicher nur möglich, weil er Verbündete hatte.

In der Nähe seiner damaligen Wohnung befindet sich heute eine Gedenktafel, auf der steht: „Dieser Platz lag früher inmitten eines Arbeiterviertels. Hier stießen die Parolen der Nationalsozialisten vor 1933 auf Ablehnung. Nach der Machtübernahme der Nazis leisteten viele heute nicht mehr bekannte Bewohner dieses Viertels Widerstand in mannigfacher Form“.

Als dann am 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler ein Attentat verübt wurde, das er fast unverletzt überstand, beauftragte Hitler den SS-Reichsführer Heinrich Himmler, alle Verschwörer und Mitwisser zu verhaften.

Der Geheimpolizei Gestapo fielen Papiere in die Hände, aus denen sie die Verbindungen der militärischen und zivilen Widerstandsgruppen erkennen konnten. So wurde dann auch im August 1944 Josef Müller als Widerständler verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Von dort aus brachte man ihn im Februar 1945 nach Bergen-Belsen.

In seinem letzten Brief an „seine Lieben“ schrieb er: „Gesundheitlich kann ich euch sagen, dass ich mich wohlfühle.“ Einen Tag später war er tot. Das erfuhr seine Familie aber erst elf Jahre später. Wie er genau er ums Leben kam, haben sie nie erfahren.

Inzwischen gibt es einen Gedenkstein für ihn: Im Dezember 2012 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig sieben neue Stolpersteine in Aachen, auch an der Jülicher Straße 2, wo mein Ur-Ur-Großvater lebte und erinnert so an seine Geschichte. Die kleinen Messinggedenktafeln werden auf dem Gehweg vor den letzten Wohnsitzen der NS-Opfer eingesetzt und sollen an sie erinnern. Auch in Bonn gibt es inzwischen schon mehr als solcher 250 Stolpersteine.

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