Hängepartie bei der Koalitionssuche

Berlin · Unbeeindruckt von der Hängepartie bei der Koalitionssuche hat Kanzlerin Angela Merkel ihre abgewählte schwarz-gelbe Regierung für voll handlungsfähig erklärt.

 Bei der Bildung einer neuen Regierung hält sich Angela Merkel alle Optionen offen. Horst Seehofer präferiert eine große Koalition. Foto: Rainer Jensen

Bei der Bildung einer neuen Regierung hält sich Angela Merkel alle Optionen offen. Horst Seehofer präferiert eine große Koalition. Foto: Rainer Jensen

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"Die Bundesregierung ist bei all ihren Themengebieten bei der Arbeit. Es gibt keine Zäsur. Es gibt keine Zeit, in der die Bundesregierung nicht tätig ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Weiterhin zeichnet sich nicht ab, mit welchem Partner - SPD oder Grüne - Merkel regieren kann.

In der CDU-Führung werden Steuererhöhungen als Angebot an einen künftigen Koalitionspartner nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte auf eine entsprechende Frage der Wochenzeitung "Die Zeit": "Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen." CDU-Vize Armin Laschet stellte Kompromisse in Aussicht - und schloss weder Steuererhöhungen noch Schwarz-Grün aus.

"Natürlich werden wir in allen Themen kompromissbereit sein müssen. Sonst kriegen wir keine Koalition hin", sagte Laschet, CDU-Chef in Nordrhein-Westfalen, der Zeitung "Die Welt" (Mittwoch). Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), plädierte in der "Rheinischen Post" (Donnerstag) sogar für eine moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes für Besserverdienende.

Die CSU meldete umgehend Widerstand an. "Mit der CSU gibt es keine Steuererhöhungen", sagte der bayerische Finanzminister Markus Söder am Rande einer Sitzung der CSU-Landtagsfraktion in München. Es gebe in Zeiten höchster Steuereinnahmen überhaupt keinen Anlass, darüber zu reden.

Auch der CDU-Wirtschaftsrat warnte eindringlich vor höheren Steuern. Die Union habe die Wahl auch deshalb gewonnen, weil die Menschen ihrem Grundsatz vertrauten, dass sich Leistung lohnen müsse. SPD und Grüne hatten sich im Wahlkampf höhere Steuern gefordert - die Union lehnte das strikt ab.

Bei SPD und Grünen wächst die Skepsis gegenüber einer Koalition mit einer fast übermächtigen Union. Beide Parteien fürchten Nachteile etwa bei den 2014 anstehenden Kommunalwahlen oder der Europawahl. Zur Frage, ob Merkel das Angebot von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) unterstütze, während Koalitionsgesprächen schwarz-gelbe Regierungsbeschlüsse mit der SPD abzustimmen, sagte Regierungssprecher Seibert, dies sei hypothetisch.

Der Kandidat für die Grünen-Fraktionsspitze, Anton Hofreiter, zeigte sich aufgeschlossen gegenüber Gesprächen mit der Union über eine Koalition. Ein Bündnis unter Beteiligung von CSU-Chef Horst Seehofer sei aber im Grunde unvorstellbar. Seehofer lehnt Gespräche mit Grünen-Spitzenleuten ab, die im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben. "Da sehe ich nicht, wie man mit so jemandem regieren können sollte", sagte Hofreiter dem Sender N24.

Laschet sieht im Rückzug Jürgen Trittins vom Fraktionsvorsitz ein positives Signal für Koalitionsgespräche. "Wenn die Grünen für die Zukunft personell und politisch neue Schwerpunkte setzen, erleichtert das Gespräche." Auch der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Peter Hauk sah in einem dpa-Interview Chancen für Schwarz-Grün.

Seehofer bekräftigte: "Die CSU-Position ist klar: Wir haben eine Präferenz für die große Koalition." Schäuble zeigte sich jedoch offen für eine Koalition mit den Grünen. Diese führten eine Diskussion, ob sie im Wahlkampf die falschen Akzente gesetzt hätten. "Das Ergebnis muss man abwarten", sagte er der "Zeit". Eine Neuwahl werde es nicht geben: "Demokratische Parteien müssen miteinander arbeiten können, wenn sich der Pulverdampf des Wahlkampfs verzogen hat."

Der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher scheint sich da nicht so sicher zu sein. Angesichts der schwierigen Regierungsbildung dringt er in einem Gastbeitrag für "bild.de" auf einen raschen Wiederaufbau seiner Partei. "Der sich erneuernden FDP wird viel Zeit auch deshalb nicht bleiben, weil keineswegs feststeht, dass die nächste Bundestagswahl erst in vier Jahren stattfindet."

CSU-Parlamentsgeschäftsführer Stefan Müller warnte vor Gedankenspielen über eine Minderheitsregierung. "Das kann nicht funktionieren", sagte er der "Bild"-Zeitung. Der CDU-Abgeordnete Christian Hirte sieht indes eine Neuwahl als Ausweg. Grünen-Chef Cem Özdemir geht von einer großen Koalition aus. "Vorgezogene Neuwahlen sehe ich nicht als wahrscheinlich an", sagte er in der ARD.

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