Aufklärung nach 17 Jahren? Haftbefehl gegen Tatverdächtigen im Mordfall Peggy erlassen

Bayreuth · Überraschende Wende in einem der mysteriösesten Mordfälle Deutschlands: Weil er 2001 das neunjährige Mädchen Peggy umgebracht haben soll, sitzt ein Mann jetzt in U-Haft. Winzige Spuren und ein falsches Alibi wurden ihm zum Verhängnis.

 Polizeieinsatz bei Wurzbach an der Grenze von Bayern zu Thüringen: Hier wurden Peggys sterbliche Überreste gefunden.

Polizeieinsatz bei Wurzbach an der Grenze von Bayern zu Thüringen: Hier wurden Peggys sterbliche Überreste gefunden.

Foto: Fricke

17 Jahre nach dem Verschwinden der Schülerin Peggy aus Oberfranken ist gegen einen Verdächtigen Haftbefehl wegen Mordes erlassen worden. Der 41-Jährige aus dem Landkreis Wunsiedel bestreite den Tatvorwurf, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft in Bayreuth mit.

Es bestehe dennoch "ein dringender Tatverdacht" gegen den Deutschen. Er soll bei der Tötung der Neunjährigen "Täter oder Mittäter" gewesen sein und den leblosen Körper anschließend in einem Waldstück in Thüringen abgelegt haben. Möglicherweise sollte mit dem Mord eine zuvor begangene Straftat verdeckt werden, erklärten die Ermittler. Der Mann war bereits am Montag festgenommen worden.

Peggy war am 7. Mai 2001 auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Erst gut 15 Jahre später - Anfang Juli 2016 - fand ein Pilzsammler Teile ihres Skeletts in einem Wald bei Rodacherbrunn im Saale-Orla-Kreis - knapp 20 Kilometer von Peggys Heimatort Lichtenberg im oberfränkischen Landkreis Hof entfernt.

Vor drei Monaten hatte der 41-Jährige in einer Vernehmung zugegeben, dass er Peggy im Mai 2001 mit seinem Auto in den Wald gebracht hatte. Er bestritt jedoch, das Mädchen getötet zu haben. Er habe das leblose Kind damals von einem Bekannten an einer Bushaltestelle übernommen. Er habe noch versucht, die Neunjährige zu beatmen - sie dann jedoch in eine Decke gepackt und in den Kofferraum seines Autos gelegt. Den Schulranzen und die Jacke von Peggy will der 41-Jährige Tage später bei sich zu Hause verbrannt haben.

Wesentliche Angaben des Mannes seien jedoch "nicht mit den weiteren Ermittlungsergebnissen in Einklang zu bringen", betonten Polizei und Staatsanwaltschaft. Daher nahmen die Beamten ihn fest. Der 41-Jährige war bereits kurz nach Peggys Verschwinden ins Visier der Ermittler geraten: Laut einem MDR-Bericht soll er 2001 in angetrunkenem Zustand gesagt haben, dass er die Leiche der Neunjährigen vergraben habe.

An den sterblichen Überresten des Mädchens entdeckten die Ermittler mikroskopisch kleine Pollen, die sie als Bestandteile von Torf identifizierten - so ergab sich ein Bezug zu Pflanzarbeiten des Mannes am Tattag. Außerdem fanden die Beamten bei den Knochen Farbreste, wie sie in Renovierungsmüll vorkommen. "Den Ermittlern war bekannt, dass der jetzt Beschuldigte damals umfangreiche Renovierungsarbeiten ausgeführt hatte", hieß es im September.

Auch ein angebliches Alibi des Mannes platzte: Entgegen seinen früheren Angaben war er am 7. Mai 2001 in Lichtenberg unterwegs. Das belegen Videoaufzeichnungen aus einer Bankfiliale.

Sein goldfarbenes Auto, mit dem er nach eigener Aussage Peggy in den Wald fuhr, haben Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen gefunden. Und bei Durchsuchungen in mehreren Häusern des Mannes in Lichtenberg und im rund 50 Kilometer entfernten Marktleuthen (Landkreis Wunsiedel) stellte die Polizei Beweismaterial sicher. Nach der Vernehmung im September war der 41-Jährige zunächst wieder auf freien Fuß gekommen.

Im Lauf der Jahre gab es im Fall Peggy bereits mehrere Verdächtige, doch viele Spuren liefen ins Leere. Deutschlandweites Aufsehen erregte der Fall eines geistig behinderten Mannes, den ein Gericht 2004 als Mörder von Peggy verurteilte, der aber zehn Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurde. Zudem entdeckten Ermittler am Fundort von Peggys Skelett DNA des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt. Das stellte sich später aber als Verunreinigung eines Geräts der Spurensicherung heraus.

Im vergangenen Jahr hatte sich eine Gruppe von Bürgern aus Lichtenberg an die Öffentlichkeit gewandt. Die elf Unterzeichner warfen den Ermittlungsbehörden gravierende Fehler und Schlamperei vor. Sie sprachen von einem "Polizei- und Justizskandal" und einseitigen Ermittlungen. Viele Hinweise aus der Bevölkerung seien ignoriert worden und Zeugenaussagen aus den Akten verschwunden. Unter den Unterzeichnern waren auch Bürgermeister Holger Knüppel und mehrere Stadträte. Der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel wies die Vorwürfe zurück.

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