Familie und Beruf In Lebensphasen denken

In manchen Lebensphasen ist es nicht leicht, eine 100-Prozent-Stelle zu haben. Anke Helm lässt derzeit ihre Stelle beim Flughafenbetreiber Fraport in Frankfurt am Main für ein Jahr ruhen, weil ihr Mann gesundheitlich angeschlagen ist.

 Mit einer Auszeit im Job lässt sich der Gegenwart mehr Bedeutung geben. FOTO: THINKSTOCK

Mit einer Auszeit im Job lässt sich der Gegenwart mehr Bedeutung geben. FOTO: THINKSTOCK

In manchen Lebensphasen ist es nicht leicht, eine 100-Prozent-Stelle zu haben. Anke Helm lässt derzeit ihre Stelle beim Flughafenbetreiber Fraport in Frankfurt am Main für ein Jahr ruhen, weil ihr Mann gesundheitlich angeschlagen ist. Sie ist 55 Jahre alt, er gerade in Rente gegangen. „Mit der Erkrankung meines Mannes haben sich die Prioritäten verschoben“, sagt sie. „Wenn ich in zehn Jahren in den Ruhestand gehe, können wir die Zeit zu zweit vielleicht nicht mehr so genießen, wie das aktuell der Fall ist.“ Deshalb wollte sie jetzt für eine Zeit im Job kürzertreten. In mehr als 30 Arbeitsjahren hat Helm angefallene Überstunden und nicht genommene Urlaubstage auf einem Lebensarbeitszeitkonto sammeln können. Ihre Chefin war schnell einverstanden, als sie vorschlug, jetzt für ein Jahr auszusteigen.

Arbeitgeber sollten flexibel sein

Viele Beschäftigte kennen das: Immer wieder gibt es Phasen, in denen es schwierig ist, die Anforderungen des Arbeitgebers und die Ansprüche der Familie in Einklang zu bringen. Dann wieder gibt es Zeiten, in denen man der Firma viel mehr zur Verfügung zu stehen könnte – etwa als Berufsanfänger oder wenn die Kinder größer sind. Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle orientieren sich an diesen unterschiedlichen Zeitabschnitten.

„Es ist eine neue Philosophie bei den Arbeitgebern. Sie realisieren immer mehr, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mitarbeiter ganz zentral ist“, sagt Prof. Jutta Rump. Sie lehrt Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Ludwigshafen. Die Arbeitswelt wird zunehmend schneller und Arbeit verdichtet sich. Für Firmen sei es wichtig, Beschäftigte zu haben, die das aushalten – und das geht nur, wenn sie trotz Doppelbelastung Job und Familie in der Balance sind. Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle sollen bei der Vereinbarkeit helfen.

Eine Pilotphase zu Testzwecken

Dabei gibt es mehr als ein Konzept. Ein Modell sieht etwa vor, dass Mitarbeiter in Phasen familiärer Belastung für mindestens drei und maximal sechs Monate auf 80 Prozent reduzieren können. Andere erlauben in Phasen hoher Belastung die Arbeit im Home Office oder Vertrauensarbeitszeit. Mitarbeiter können bei letzterer frei entscheiden, wann sie arbeiten, und müssen gesteckte Ziele erreichen. Und es gibt Lebensarbeitszeitkonten wie bei Helm.

Doch was kann der Einzelne tun, wenn die Firma so etwas gar nicht anbietet? Prof. Rump rät, das Thema bereits im Bewerbungsgespräch anzusprechen. Anhand der Reaktion des Personalers ist schnell zu erkennen, ob die Firma Mitarbeiter unterstützt oder sich dabei kaum zuständig fühlt. Wenn Mitarbeiter bereits bei einem Arbeitgeber sind, sollten sie das Thema einfach beim Chef ansprechen. Hat der Chef Zweifel, ob andere Arbeitszeiten praktikabel sind, kann man ihm zunächst eine Pilotphase vorschlagen. Zunächst werden die veränderten Arbeitszeiten zum Beispiel einen Monat lang getestet – dann analysiert man gemeinsam die Ergebnisse und schaut sich an, was funktioniert und was eher nicht praktikabel ist. (dpa)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort