Kehrtwende mit Trump erwartet Israel empört über Kerrys Rede

Jerusalem/Washington · US-Außenminister Kerry hält in einer Grundsatzrede fest, wie ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern aussehen könnte. In Jerusalem stößt der bekennende Israel-Freund auf Empörung. Für Regierungschef Netanjahu ticken die Uhren ab 20. Januar anders.

US-Außenminister John Kerry während seiner Rede in Washington.

US-Außenminister John Kerry während seiner Rede in Washington.

Foto: Shawn Thew

Israel rechnet nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump mit einer Kehrtwende in der Nahost-Politik der USA. "Am 20. Januar nehmen wir Palästina von der Tagesordnung", sagte der ultrarechte israelische Erziehungsminister Naftali Bennett.

Er reagierte damit auf eine Grundsatzrede des scheidenden US-Außenministers John Kerry zum Nahost-Konflikt. Diese verschärfte die Spannungen der Regierung von Präsident Barack Obama mit Israels rechtsgerichteter und siedlerfreundlichen Regierung weiter.

In seiner gut einstündigen Rede hatte Kerry am Mittwoch einen flammenden Appell an Israelis und Palästinenser gerichtet, die Zwei-Staaten-Lösung nicht aufzugeben. Diese sei die einzige Möglichkeit, dauerhaft Frieden zu schaffen.

Hintergrund sind die Siedlungspolitik Israels sowie ein möglicher Kurswechsel der neuen Trump-Regierung. "Die kommende Regierung hat signalisiert, dass sie einen neuen Weg einschlagen will, und sogar vorgeschlagen, mit der traditionellen US-Politik in der Frage der Siedlungen, Jerusalems und der Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zu brechen", sagte Kerry. In diesem Fall drohe neue Gewalt in der Region, warnte der erfahrende Diplomat.

Der von Kerry wegen der Siedlungspolitik hart kritisierte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Ansprache als "große Enttäuschung". "Wir lassen uns von niemandem belehren", sagte er. Aus Sicht Netanjahus ist das Kernproblem des Konflikts, dass die Palästinenser sich weigerten, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen: "Wie kann man Frieden schließen mit jemandem, der uns unser Existenzrecht abspricht?"

Unterstützung bekam Netanjahu vom künftigen US-Präsidenten Trump, der Amtsinhaber Barack Obama und dessen Regierung eine Haltung "totaler Verachtung und Respektlosigkeit" gegenüber Israel vorwarf. "Bleib stark, Israel! Der 20. Januar kommt schnell näher!", twitterte Trump.

Bennett äußerte die Erwartung, mit Trump als US-Präsident werde es keinen unabhängigen Palästinenserstaat geben. Der Vorsitzende der Siedlerpartei setzt sich für die Annektierung großer Teile des Westjordanlands und einen entsprechenden Gesetzesentwurf ein.

Kerry hatte in sechs Punkten seine Vision einer Friedensregelung in dem Konflikt dargelegt und für eine Zweistaatenlösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 mit vereinbartem Landtausch plädiert. Jerusalem solle nicht wieder geteilt werden wie 1967, sondern als Hauptstadt beider Staaten dienen - mit freiem Zugang zu den religiösen Stätten aller drei monotheistischen Religionen.

Kerry forderte ein Ende der Besatzung. Er gab zu verstehen, dass es für palästinensische Flüchtlinge kein Rückkehrrecht ins israelische Kernland, sondern eine Entschädigung und Hilfe bei der Suche nach einer festen Bleibe geben solle. Zudem müsse die Vereinbarung die Sicherheit Israels garantieren.

Der Außenminister sparte nicht mit deutlichen Worten an die Adresse Netanjahus. "Der israelische Ministerpräsident unterstützt öffentlich eine Zweistaatenlösung, aber seine jetzige Koalition ist die rechteste Regierung in der Geschichte des Landes und hat eine Agenda, die von den extremsten Elementen angetrieben wird."

Beide Konfliktparteien hätten nun die Wahl, warnte Kerry. Laufe es auf einen einzigen Staat hinaus, "dann kann Israel entweder jüdisch sein oder demokratisch. Es kann nicht beides sein, und es wird sich niemals wirklich im Frieden befinden."

Kerry scheidet am 20. Januar nach vier Jahren aus dem Amt. Er hatte als Vermittler die vorerst letzten Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern ermöglicht. Diese scheiterten im April 2014.

Zwischen den USA und Israel war es zu Spannungen gekommen, nachdem der UN-Sicherheitsrat Israel am Freitag zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalems aufgefordert hatte.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bekräftigte seine Position, zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen bereit zu sein, falls Israel den Siedlungsbau stoppe und unterzeichnete Verträge umsetze.

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