Die Entdeckung aus Dernau Jetzt ist sie Boss im eigenen Berg

DERNAU · Der Gault&Millau hat Ex-Weinkönigin Julia Bertram aus Dernau zur „Entdeckung des Jahres“ gekürt. Lange Zeit zum Genießen blieb ihr jedoch nicht: Bereits am Tag nach dem Festabend war sie wieder beim Dernauer Martinsmarkt aktiv.

 26 Jahre alt, ehemals Deutsche Weinkönigin und nun Entdeckung des Jahres: Julia Bertram aus Dernau.

26 Jahre alt, ehemals Deutsche Weinkönigin und nun Entdeckung des Jahres: Julia Bertram aus Dernau.

Foto: Martin Gausmann

Flink, unermüdlich und immer ein Lächeln im Gesicht bedient sie beim Martinsmarkt in Dernau am Stand ihres Familienweinguts feierfreudige Gäste. Mit ein paar Pappkartons auf den Armen unterwegs in die Probierstube, nimmt sie dann strahlend Glückwünsche entgegen. In Dernau hat es sich schnell herumgesprochen: Julia Bertram ist die „Entdeckung des Jahres 2016“ im wichtigen Gault-Millau-Weinführer (der GA berichtete). Konnte sie sich am Vortag beim Festabend in Mainz noch in ihrem schnellen Erfolg sonnen, so ist im heimischen Dernau wieder Hand- und Knochenarbeit gefragt – beim Martinsmarkt unter verschärften Bedingungen.

Beim Wein kann der 26-Jährigen, 2012/13 war sie Deutsche Weinkönigin, wohl kaum einer etwas vormachen. Und schon am Ende der Amtszeit war für sie klar: „Ich bleibe dem Wein treu.“

Abitur auf dem Calvarienberg in Ahrweiler, Praktikum bei Spitzenwinzer Werner Näkel in Dernau, Bachelor in Weinbau und Önologie an der FH Geisenheim: Die Grundlagen könnten kaum besser sein. Und so denkt Julia Bertram daran, ihr Familienweingut, das Dernauer Weingut Ernst Sebastian, in einigen Jahren ganz zu übernehmen. Sie wäre die sechste Generation.

Schon jetzt stehen drei Hektar Rebland unter ihrer Ägide. Die Hälfte der Flächen aus dem Weingut Ernst Sebastian, die andere Hälfte dazu gepachtet und gekauft. Der andere Teil des Familienweinguts bleibt vorerst in Obhut von Mutter Andrea Bertram und Tante Ricarda Sebastian.

Spätburgunder ist ihr Favorit unter den Weinen, dazu kommt eine Fläche mit Frühburgunder. „Weitere Rebsorten werden nicht gepflanzt“, steht für sie fest. „Ich will langlebige Burgunderweine machen, die ihre Herkunft zeigen“, sagt sie. Spätburgunder eigne sich, wie auch der Riesling, perfekt für ihr Vorhaben, weil er den Boden spiegle, auf dem er gewachsen sei.

„Ich kann in vielen sehr guten Lagen mit alten Reben arbeiten“, freut sie sich über ihr Startkapital. Dazu gehören der Marienthaler Trotzenberg, der Dernauer Pfarrwingert und das Ahrweiler Rosenthal. Die Böden dort seien durchaus unterschiedlich: einmal sandiger Lehm mit Quarzit, einmal Schiefer. „Das finde ich sehr spannend, jede Lage im Ahrtal hat ihren eigenen Charakter“, schwärmt die Winzerin.

Die Arbeit in den Wingerten geschieht im Familienverbund, neuerdings schon mit einem Angestellten, denn die Steillagen sind arbeitsintensiv. „Wir arbeiten gerne miteinander, aber jeder hat sein Revier, wo er der Boss ist, Entscheidungen fällt und verantwortlich ist“, erklärt Julia die Abmachung.

Nicht ganz so zufrieden ist die „Entdeckung des Jahres“ mit dem Ort, an dem sie ihren Wein derzeit produziert: sehr eng, zu klein, schwierig da zu arbeiten. Darum hofft sie, bald etwas Besseres zu finden. „Ich bin heimatverbunden, darum ist es mir wichtig, im Ahrtal meinen Wein zu machen“, nennt sie eine Priorität.

In Barriques und großen Holzfässern lässt sie ihre Burgunder reifen. Jeder Wein soll im Holz liegen, das ihn unterstützt, aber nicht überlagert. Schlichtheit kennzeichnet ihre Flaschenetiketten. „Ahrweiler Spätburgunder“ steht darauf in großer Blockschrift, seitlich das Wappen mit der Aufschrift „Familienbetrieb seit 1910, Tradition und Leidenschaft“ und deutlich kleiner darüber ihr Name. Julia Bertram war mit ihrem ersten Jahrgang, dem 2014er, zufrieden. Nach anfänglichem Zögern hatte sie die Weine beim Gault&Millau eingereicht, die Tester hatten sich bei ihr eingestellt, und so kam die Auszeichnung aus dem Stand. Dabei sieht sie ihre 2015er Weine schon als Steigerung. Mit dem 2016er Jahrgang will sie auch französische Eiche testen neben der deutschen Eiche, in der ihre Weine bislang gereift sind. Für die Zukunft plant sie den Schwenk zum Öko-Weinbau.

Mit der „Entdeckung des Jahres“ hat der Gault&Millau der jungen Dernauerin eine erste Traube in seinem Katalog zuerkannt. Steigerungen um eine Traube jährlich bis hin zu fünf Trauben sind möglich. Die Zukunft wird zeigen, wohin die Reise führt.

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