Analyse Kampf um CDU-Vorsitz: Wer steht wo in der Migrationspolitik?

Berlin · Merz gibt den Konservativen alter Schule. Spahn präsentiert sich als Law-and-Order-Mann mit modernem Lifestyle. Kramp-Karrenbauer steht für Pragmatismus und Mitte. Beim Thema Asyl treten die Unterschiede besonders deutlich zutage.

 Konkurrenten um die Merkel-Nachfolge: Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn (v.l.) werben bei einer CDU-Regionalkonferenz für sich.

Konkurrenten um die Merkel-Nachfolge: Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn (v.l.) werben bei einer CDU-Regionalkonferenz für sich.

Foto: Arifoto UG/Michael Reichel

Fair im Ton, garniert mit kleinen Seitenhieben, stellen sich die drei aussichtsreichsten Bewerber um den CDU-Vorsitz den Mitgliedern der Partei bei ihren Regionalkonferenzen vor. Dass es dabei jetzt auch um Flüchtlingspolitik geht, trägt Spannung, aber auch Spannungen in diesen bislang so gesitteten Wettbewerb.

Nach Gesundheitsminister Jens Spahn und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat nun auch der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz erklärt, wie er in der Flüchtlingsfrage tickt. Auf dem CDU-Parteitag in Hamburg am 7. und 8. Dezember wird sich zeigen, was die Delegierten darüber denken. Sie sollen dann über die Nachfolge von Angela Merkel entscheiden.

KRAMP-KARRENBAUER (56) steht grundsätzlich zum Kurs von Kanzlerin Merkel. Deren Entscheidung vom September 2015, eine große Zahl von Asylbewerbern aufzunehmen, hat sie mitgetragen. Ständig darüber reden will sie aber nicht. In einem Interview mit n-tv hat sie zwar erklärt, in der Migrationspolitik dürfe "keine Schweigespirale" aufgebaut werden. Was sie aber nicht will, ist "eine ewige Debatte darüber, was im Herbst 2015 richtig oder falsch gemacht wurde".

Die Pragmatikerin sagt, es sei gut, dass sich die Union von dem Mythos verabschiedet habe, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Denn nun könne man endlich darangehen, Einwanderung besser zu organisieren. Migranten, die schon hier sind, will sie verpflichten, an Sprach- und Integrationskursen teilzunehmen - notfalls mit Sanktionen. Als Kramp-Karrenbauer noch Ministerpräsidentin im Saarland war, ordnete die Landesregierung medizinische Untersuchungen zur Altersbestimmung von Flüchtlingen an, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie wirklich minderjährig sind.

SPAHN (38) gehört zu den schärfsten Kritikern Merkels - auch in der Migrationspolitik. Im Dezember 2016 führt er gegen ihren erklärten Willen auf einem CDU-Parteitag einen Beschluss herbei, die Vorschriften bei der doppelten Staatsbürgerschaft wieder enger zu fassen. Auch Spahn findet Integration wichtig. So wichtig, dass man dafür vielleicht sogar ein eigenes Ministerium einrichten sollte. Wir erinnern uns: dafür hatte in den vergangenen Jahren vor allem die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), geworben.

Mit der CDU-Generalsekretärin teilt Spahn außerdem die Sorge, die Flüchtlingspolitik von 2015 könne für die CDU zu einem Problemthema werden, das der Partei noch lange an den Hacken klebt. Er zieht daraus jedoch andere Schlüsse als sie, will erst noch einmal über alles reden - bevor dann ein Strich darunter gezogen wird.

Was Spahn in Integrationsfragen von seinen Mitbewerbern unterscheidet, ist vor allem die Tonalität, in der er darüber spricht. In einem Interview der "Berliner Morgenpost" im vergangenen Jahr sagte er: "Wer mit Kopf und Herz weiter in der Türkei, in Marokko oder in Russland lebt, wer gar nicht ankommen will, auch weil er unsere westliche Gesellschaft eigentlich verachtet, wer aber ansonsten gerne die Vorzüge unseres Systems nutzt, dem sollten wir sagen: Dann wird das hier nix mit uns."

MERZ (63) konnte mit dem Konzept der gleichberechtigten kulturellen Vielfalt in der Einwanderergesellschaft - abwertend gerne als "Multikulti" bezeichnet - noch nie etwas anfangen. Er machte im Oktober 2000 mit der Forderung Schlagzeilen, Zuwanderer, die auf Dauer hier leben wollen, müssten sich an die "deutsche Leitkultur" anpassen. Allerdings ist Merz auch Autor eines Buches mit dem Titel "Nur wer sich ändert, wird bestehen". Der Merz von 2018 formuliert, dem Zeitgeist entsprechend, etwas vorsichtiger.

Dass Merz jetzt die Axt an das Asylrecht legen will, so wie es die AfD fordert, ist daher nicht zu erwarten. Dass er jetzt vorschlägt, im Grundgesetz zu verankern, "dass dieses Grundrecht auf Asyl auch unter dem Vorbehalt europäischer, gemeinsamer Regelungen steht", könnte in letzter Konsequenz aber schon eine Schwächung der Stellung des einzelnen Schutzsuchenden nach sich ziehen.

Merz sagt, die Flüchtlingspolitik sei als Wahlkampfthema schlecht geeignet. Allerdings haben die Wahlen der vergangenen Monate gezeigt, dass dort vor allem Parteien punkten konnten, die ihre Position zu Flucht und Migration vorab geklärt hatten.

Die Linke fiel durch internen Streit auf - Sahra Wagenknecht forderte Begrenzung und wurde dafür von Parteikollegen beschimpft. Die Unionsparteien sandten widersprüchliche Signale - nach dem Doppelpass-Beschluss des CDU-Parteitages erklärte Merkel, dieser werde erst einmal nicht umgesetzt. Die SPD wich der Debatte aus und erklärte, soziale Gerechtigkeit sei doch viel wichtiger.

Anders die AfD. Sie will Europa zu einer "Festung" gegen "kulturfremde" Asylbewerber ausbauen. Parteichef Alexander Gauland sagte im Bundestagswahlkampf 2017, er sei zwar nicht generell für die Abschaffung des Asyl-Paragrafen 16a. Er halte es als "individuell einklagbares Recht" aber für "höchst problematisch". Eine "institutionelle Garantie" im Grundgesetz sei ausreichend.

Auch die Grünen sagen deutlich, wo sie in der Flüchtlingspolitik stehen. Für sie ist Schutz wichtiger als Begrenzung und Abschiebung. Auch wenn Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer gelegentlich ausscheren.

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