Kroatien wird 28. EU-Mitglied

Zagreb · Kroatien wird das 28. Mitglied der Europäischen Union (EU). Am Sonntag um Mitternacht werden die Zollschranken und Grenzkontrollen zu den Nachbarn Italien, Slowenien und Ungarn gelockert. Das Adrialand wird damit vollberechtigter Teil der Union.

Unmittelbar zuvor legte sich Kroatien am Freitag mit Brüssel und Deutschland an. Das Parlament in Zagreb verabschiedete ein umstrittenes Gesetz, das die Auslieferung von Kroaten auf Straftaten begrenzt, die ab August 2002 begangen wurden.

Der von den deutschen Strafverfolgungsbehörden gesuchte ehemalige kroatische Geheimdienstchef Josip Perkovic bliebe damit unbehelligt. Er soll noch zu jugoslawischen Zeiten 1983 den Mord an einem Dissidenten in Bayern in Auftrag gegeben haben. Das Gesetz steht in klarem Widerspruch zu europäischem Recht, wie es Kroatien schon vor Jahren in den Beitrittsverhandlungen akzeptiert hatte.

Die 4,4 Millionen Bürger schwanken zum EU-Beitritt zwischen freudiger Erwartung und Befürchtungen, berichten die heimischen Medien seit Monaten. Erwartet wird durch Konkurrenz aus den EU-Ländern eine deutliche Senkung der hohen Preise zum Beispiel für Lebensmittel oder Strom. Sorge bereitet ein möglicher Ansturm reicher Ausländer auf die attraktivsten Grundstücke an der weit über 1000 Kilometer langen Küste. Auch ein "Ausverkauf der Wirtschaft" wird immer wieder als Gespenst an die Wand gemalt.

Obwohl Kroatien alle Auflagen der EU-Kommission erfüllt hat, bringt es viele ungelöste Probleme mit nach Brüssel. Die verlustreichen Staatsbetriebe und die marode und politisch gegängelte öffentliche Verwaltung gehören ebenso dazu wie die weit verbreitete Korruption und die vor dem Zusammenbruch stehenden Sozialsysteme. Schließlich stehen nach Angaben des Finanzministeriums 1,3 Millionen Beschäftigten eine gleich hohen Zahl an Rentnern gegenüber.

Weil die Staatskassen leer sind und sich nur wenige Sponsoren fanden, fallen die Feiern am Sonntag mager aus. Die Offiziellen - allen voran die Staats- und Regierungsspitzen der Nachbarländer und die EU-Spitzen - bleiben weitgehend unter sich. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird bei den Feiern fehlen. "Ich freue mich wirklich von ganzem Herzen, dass Kroatien Mitglied der Europäischen Union wird, aber manchmal gibt es terminliche Probleme", sagte Merkel in Brüssel.

Das Volk wird auf dem Ban Jelacic-Platz im Zentrum der Hauptstadt mit Volksgruppen und Popbands feiern. Um Mitternacht sprechen dann Staatspräsident und Regierungschef zu ihren Bürgern, dann folgt eine lange Liste mit ausländischen Rednern. Nach dem Feuerwerk ist offiziell schon Schluss.

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