Kultur - Die Wochenschau, die nur wenige sahen

"The wide world review" gilt als erste Fernseh-Serie der Welt - Den deutschen Machthabern ist das Medium suspekt

Das Publikum zählt an diesem 15. August 1932 noch nicht nach Millionen. Zwölf Jahre später werden in den USA erst 7 000 Empfänger verzeichnet. Das Fernsehen ist eine noch junge Entwicklung, die Technik steckt in den Kinderschuhen. Da geht jenseits des großen Teiches Columbia Broadcasting System (CBS) mit "The wide world review" auf Sendung. 25 Minuten abendliche Wochenschau.

Bis in den Dezember des Jahres, soviel immerhin ist zu erfahren, hat das Projekt im wöchentlichen Rhythmus durchgehalten. Sonst aber ist der Meilenstein der ersten Fernsehserie der Welt offenbar längst vom Dickicht des späterhin rasant sprießenden TV-Dschungels überwuchert. Weder CBS selbst noch medienwissenschaftliche Institute quer durch die Republik vermögen dem historischen Datum heutzutage mehr als diese Basisinformation abzugewinnen.

Deutschland war zu dieser Zeit noch ein gutes Stück von seiner Fernsehzukunft entfernt. 1928 hatte es erste Versuchssendungen in Berlin gegeben, am 20. Dezember 1929 waren die Bildfunksendungen im deutschen Rundfunk eingestellt worden. 1934 sollten die ersten von Ton begleiteten Versuchssendungen folgen, und am 22. März 1935 schließlich steht der erste regelmäßige Programmdienst in den TV-Geschichtsbüchern. An drei Abenden der Woche von 20.30 bis 22 Uhr. An den nicht mehr als 300 bis 500 Empfängern saßen vornehmlich Staats- und Parteifunktionäre, Vertreter der Reichsrundfunkgesellschaft und der Industrie.

Höhepunkt damals: 1936 gelingen Direktübertragungen von den Olympischen Sommerspielen in Berlin. Fernsehen fürs Volk allerdings wird daraus vorerst nicht. Den NS-Machthabern ist das Medium suspekt. So ist der allgegenwärtigen Propagandamaschinerie das direkt übertragene Bild eines womöglich geifernden Führers nicht ausreichend manipulierbar, um den erwünschten positiven Eindruck zu vermitteln.

Nach dem Krieg sollte es in Deutschland bis zum 12. Juli 1950 dauern, bis das erste Testbild wieder auf der Mattscheibe flimmerte. Zu Weihnachten dann bescherte der NWDR den seinerzeit noch wenigen Apparate-Besitzern das tägliche Abendprogramm, 30 bis 60 Minuten nachmittäglicher Sendezeit inklusive.

Im Vergleich zu den Anfangstagen ging es jetzt sehr schnell, und wo anfangs die Wirklichkeit in Wochenschauen das Drehbuch bestimmte, richteten sich Heerscharen von Autoren ihren behaglichen Platz an der Fernseh-Sonne ein. Die Serie kommt mittlerweile häufig täglich - und schafft ihren Betrachtern längst eine eigene Realität.

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