Kultur - Kino im Kontrast

Kino im Kontrast: Harlans "Jud Süß" und Chaplins "Der große Diktator"

Joseph Goebbels war begeistert. "Ein ganz großer, genialer Wurf. Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können", jubelte der Propagandaminister im August 1940 über Veit Harlans "Jud Süß". Goebbels hatte die verschiedenen Stationen des Projekts mit großem Eifer verfolgt und laufend Probeaufnahmen und Muster geprüft. Bereits 1939 lobte er das Manuskript: "Ausgezeichnet geworden." Wenige Tage später notierte Goebbels: "Mit Harlan und Möller den Jud-Süßfilm besprochen. Harlan, der die Regie führen soll, hat da eine Menge neuer Ideen. Er überarbeitet das Drehbuch nochmal."

Differenzen zwischen Goebbels und Harlan gab es offensichtlich nicht, stellt Felix Moeller in seiner im Henschel Verlag erschienenen Studie "Der Filmminister - Goebbels und der Film im Dritten Reich" fest. Harlans spätere Einlassung, der Film sei ihm aufgezwungen worden und er wäre bei Nichterfüllung dieses Auftrages erschossen worden, verweist Moeller ins Reich der Legende. Nach dem Krieg wurde Harlan wegen "Jud Süß" der Prozeß gemacht. Er endete mit einem Freispruch, weil nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob und mit welchem Nachdruck der Regisseur zu dieser Inszenierung gezwungen worden war und wer Veränderungen des Drehbuchs und Schnitte im Film veranlaßt hatte.

"Jud Süß", die Geschichte des Joseph Süß-Oppenheimer, der zum aalglatten Weltverschwörer stilisiert wird, war in den deutschen Kinos ein großer Erfolg - obwohl das Publikum Werken, deren propagandistische Absicht leicht zu durchschauen war, reserviert gegenüber stand. Der Erfolg des Kostümfilms ist zum einen den eindrucksvoll agierenden Darstellern - unter anderem Heinrich George und Werner Krauß - geschuldet, zum anderen der wirkungsvollen Verschmelzung von antisemitischen Effekten und Elementen des konventionellen Unterhaltungsfilms. Ferdinand Marian, der Darsteller des Süß-Oppenheimer, bewahrte seiner Figur allen Zumutungen des Drehbuchs zum Trotz einen Rest von Charme und Sympathie. Er weckte geradezu Verständnis für einen Mann, der selbst zum Jäger wird, um nicht immer gejagt zu werden.

Vom Bemühen - freilich mit anderer Absicht -, auf Zeitläufte zu reagieren und sie womöglich zu beeinflussen, zeugt auch Charlie Chaplins 1940 nach mehrjähriger Arbeit beendetes Werk "Der große Diktator". Es ist die Geschichte des Diktators Hynkel, der nach dem Einmarsch seiner Truppen in das Land Austerlich durch Zufall mit seinem Doppelgänger, einem aus dem KZ entflohenen jüdischen Friseur, verwechselt wird. Der findet in der Uniform des Tyrannen Worte, in denen sich Chaplins damalige Ängste und Hoffnungen spiegelten: "Ich möchte niemanden beherrschen und niemanden bezwingen. Es ist mein Wunsch, einem jeden zu helfen - wenn es möglich ist - sei er Jude oder Nichtjude, Weißer oder Schwarzer." Der utopische Gehalt und die pathetischen Vokabeln der Rede stießen wegen ihrer angeblichen Klischeehaftigkeit nicht überall auf Zustimmung. Adorno entdeckte im Schlußbild des Films überdies strukturelle Ähnlichkeiten mit der Ufa-Ästhetik.

Unübersehbar war auch Chaplin - wie jeder Biograph Hitlers - vom Objekt seiner Studien fasziniert. Insofern haben auch jene Worte mehr als nur dokumentarische Bedeutung, die Chaplin angesicht einer Wochenschau ausgerufen hat: "Oh, du Dreckskerl, du Hundesohn, du Schwein. Ich weiß, was in deinem Kopf vorgeht."

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