Akuter Personalnotstand Lebenshilfe bemängelt übermäßige Bürokratie

BONN · Peter, Monika und die anderen aus dem Beueler Tenten-Haus-Verbund suchen neue Betreuer. „Und das ist gar nicht einfach“, stöhnt Nina Momm, stellvertretende Geschäftsführerin der Lebenshilfe Bonn. Eine Geschichte über EU-Hürden und fehlende Entscheidungen.

 Peter Hatesaul (58) und Monika Kretzschmann (60) mit Mitarbeiterin Christiane Pietzsch beim gemeinsamen Kartenspiel. FOTO: HILLEBRAND

Peter Hatesaul (58) und Monika Kretzschmann (60) mit Mitarbeiterin Christiane Pietzsch beim gemeinsamen Kartenspiel. FOTO: HILLEBRAND

Foto: Hillebrand

Es herrscht akuter Personalnotstand in den verschiedensten Einrichtungen und Aufgabengebieten der größten Behindertenhilfeeinrichtung in Bonn und dem linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Derzeit sind rund 600 Mitarbeitende damit beschäftigt, Behinderte zu begleiten, zu fördern und speziellen Unterstützungsbedarf zu geben. Eigentlich ein dankbares Betätigungsfeld für denjenigen, der mit Menschen arbeiten möchte.

„Wir bemühen uns um ein angenehmes Arbeitsklima, legen Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bieten Fort- und Weiterbildungen sowie Supervision an, aber die Zahlen sprechen für sich“, erläutert Momm. Um eine Stelle zu besetzen, brauchte man im Jahr 2016 im Schnitt 100 Tage. So blieb etwa die Stelle einer pflegerischen Fachkraft mangels geeigneter Bewerber über ein Jahr vakant.

In Zeiten von Europäischer Gemeinschaft und offenen Grenzen kam die Bonner Lebenshilfe auf die naheliegende Idee, den Fachkräftemangel in Deutschland mit ausgebildetem qualifizierten Personal aus dem Ausland zu beheben, Spanien beispielsweise. Dort herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, der Markt an ausgebildeten Fachkräften ist sehr hoch und darüber hinaus hat die 37-jährige Momm persönliche Beziehungen dorthin: „Erste Kontakte waren schnell hergestellt, dann kamen die Probleme. Wir hatten eine Heilerziehungspflegerin aus Spanien, die ihre Ausbildung in zwei statt wie in Deutschland üblich in dreijähriger Ausbildung absolviert hatte – aber mit acht Jahren Berufserfahrung und in Deutschland begonnener Altenpflege-Ausbildung. Aber sie hat die Anerkennung trotz allem nicht bekommen.“

Die Politik tut sehr wenig, so die Erfahrung der Lebenshilfe, um es den Arbeitgebern zu erleichtern: Das beginnt bei den Einzelfallentscheidungen der Bezirksregierungen, dem Hinweis, dass ein Spanier spanisches Sozialrecht gelernt hat und eben nicht deutsches, und endet damit, dass die Gleichwertigkeit angeblich nicht gegeben sei. Es folgte oft der Vorschlag von Seiten der Ämter, Fortbildungen, Weiterbildungen oder eine ganz neue Ausbildung zu machen – abhängig vom jeweiligen Sachbearbeiter. Die Folge: Die Lebenshilfe holte Spanier nach Deutschland, finanzierte Flüge und Sprachkurse, konnte sie am Ende aber doch nicht in ihren Professionen anstellen – unbefriedigend für alle Seiten.

Nina Momm wünscht sich neben einer Kostenerleichterung endlich einen allgemeingültigen Anforderungskatalog als Richtlinie, ein vereinfachtes Anerkennungsverfahren mit klaren Vorgaben und verbindlichen Aussagen – auch der Politiker. (ah)

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