Nach Anschlägen in Paris Mehr Schutz für Plätze, Bahnhöfe und Flughäfen

Bonn · Dass der Islamische Staat auch in der Bonner Region seine Anhänger hat, zeigen laufende Gerichtsverfahren. Die Polizei sieht aber keine akute Gefährdung.

 Polizeibeamte patrouillieren am Samstag in der Abflughalle des Frankfurter Flughafens.

Polizeibeamte patrouillieren am Samstag in der Abflughalle des Frankfurter Flughafens.

Foto: dpa

Wenn sich heute Vormittag gegen 10 Uhr sowohl in Düsseldorf als auch in Frankfurt wieder die Türen der dortigen Oberlandesgerichte öffnen, nehmen zwei Prozesse ihren Lauf, für die sich eines längst konstatieren lässt: Auch in Bonn - von Sicherheitsbehörden schon lange als Salafistenhochburg eingeschätzt - hat der Islamische Staat (IS) seine Anhänger.

Mehrfach gab es etwa im Düsseldorfer Verfahren Szenenapplaus von der Anklagebank, als IS-Propagandavideos vorgespielt wurden, welche bei den Beschuldigten gefunden worden waren. Das Quartett muss sich wegen eines Mordkomplotts gegen einen Pro-NRW-Politiker und des gescheiterten Sprengstoffanschlags am Bonner Hauptbahnhof verantworten.

Mitglieder des Bonner Sextetts, gegen das derzeit in Frankfurt verhandelt wird, hatten in Ostafrika offenbar direkten Kontakt zu Kämpfern des IS. Zwei Mitglieder dieser angeklagten "Bonner Zelle" der somalischen Terrormiliz Al-Shabaab haben nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft auch versucht, sich dem IS anzuschließen, um im syrischen Bürgerkrieg mitzukämpfen. Und auch andere IS-Unterstützer kommen aus Bonn, wie etwa Fared S., der in einem Video aus Syrien vor Leichenbergen posierte, oder seine inzwischen verurteilte ehemalige Lebensgefährtin Karolina R., die ihm aus Bonn immer wieder Geld schickte.

Insgesamt soll die Zahl der aus Deutschland stammenden islamistischen "Gefährder" bei rund 300 liegen. Wie groß ihre Zahl aktuell in der Region Bonn ist und wie viele Gesinnungsgenossen sich hier bewegen, dürfte aus Sicht der Öffentlichkeit die drängende Frage sein. Ob sie sich mit Zahlen beantworten lässt, ist nicht zuletzt aufgrund der hohen Mobilität der Szene unklar. Auch die Frage, ob Bonner Islamisten Kontakte nach Frankreich oder Belgien haben, dürfte verstärkt in den Fokus rücken. Gestern stellte Bonns Polizeisprecher Robert Scholten fest: Man habe nach Paris "keine akuten Hinweise auf eine Gefährdungserhöhung in Bonn", doch sei man "sensibilisiert" und stimme sich derzeit mit den Landesbehörden ab.

"Wir wissen, dass auch Deutschland im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus steht", sagte gestern NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach am Wochenende von "gebotenen Maßnahmen" zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Zusammen mit den Nachrichtendiensten werde die Beobachtung islamistischer Gefährder intensiviert, kündigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) an. De Maizière ordnete eine "robustere Ausstattung" der Bundespolizisten bei bestimmten Einsätzen an. Die Beamten tragen je nachdem Schutzwesten und zeigen ihre Bewaffnung sichtbar - zu beobachten laut Scholten am Wochenende auch in Bonn, wo jedoch eine verstärkte Polizeipräsenz im Straßenbild signifikant nicht erkennbar war. An neuralgischen Punkten wie beispielsweise dem UN-Campus, dem Hauptbahnhof oder auch dem Institut français gab es nach punktuellen Beobachtungen des GA keine gesonderte Polizeistreife. Einzig die Synagoge wurde - wie ohnehin immer - bewacht.

Dem Bund Deutscher Kriminalbeamter zufolge wird die Polizei nach den Anschlägen Plätze und Bahnhöfe besonders schützen. Bereits seit der Nacht zum Samstag nimmt die Bundespolizei wieder Verkehrskontrollen an der Grenze zu Frankreich vor. Am Samstagmorgen wurden auch die Kontrollen auf den deutschen Flughäfen und in internationalen Zugverbindungen verstärkt.

Bei alldem herrscht Einigkeit, dass es einen absoluten Schutz vor akribisch vorbereiteten Terrorattentaten wie jenen in Paris nicht geben kann. Dennoch plädierte beispielsweise der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, für eine "systematische und akribische" Kontrolle der deutschen Außengrenzen. Die Gewerkschaft der Polizei forderte eine "intensive nachrichtendienstliche und polizeiliche Überwachung potenzieller Gefährder".

In den salafistischen Netzwerken überwiegen die Reaktionen auf die Anschläge von distanziert bis hämisch erfreut. Die Facebook-Plattform Salafiya Watch Köln/Bonn registrierte zynische Kommentare, aber auch Verschwörungstheorien, wonach "der Westen" die Attentate selbst inszeniere, um der "muslimischen Welt" zu schaden. Der Bonner Salafistenprediger Abu Dujana, einer der Köpfe der radikalislamischen Gruppe "Die wahre Religion", macht im Internet ebenfalls Stimmung gegen die "heuchlerische Welt", die kein Mitgefühl zeige, wenn in der islamischen Welt Menschen ums Leben kämen. Der Salafistenprediger Pierre Vogel indes verurteilte die Anschläge als "Sünde. Allen, die damit sympathisieren, sage ich: Solche Anschläge bringen nur Schaden für die Muslime." Als zweifelhafte Alternative legt er Muslimen ans Herz, sich seinen Missionierungsaktionen anzuschließen.

Im Düsseldorfer Prozess um die Bombe, die am 10. Dezember 2012 im Bonner Hauptbahnhof entdeckt worden war, schrieben zwei Beschuldigte in Briefen aus der Haft von den "gesegneten Terroranschlägen in New York und Paris". Der Hauptangeklagte Marco G. aus Tannenbusch hatte schon Ende 2010 eine apokalyptisch anmutende Ankündigung niedergelegt: "Die Ungläubigen", schrieb er in der Silvesternacht in einem Brief, "werden Blut weinen."

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