Unterm Strich Von Blasen und Eisen

Meinung | Rheinland · Wenn Menschen sich nicht mehr auskennen

 Der Eiserne Mann im Kottenforst bei Dünstekoven ist Protagonist von Legenden.

Der Eiserne Mann im Kottenforst bei Dünstekoven ist Protagonist von Legenden.

Foto: Jörg Manhold

In jeder Organisation gibt es Menschen, die sich mit der Digitalisierung schwertun. Immer noch. Und je lebensälter jemand ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es schon mal anstrengend werden kann. Wir haben inzwischen gelernt, dass jede Alters- und Interessensgruppe in einer eigenen „Blase“, also abgeschotteter Neigungsgruppe unterwegs ist. Austausch zwischen den Blasen: Praktisch Fehlanzeige. Und so kann man keineswegs Hilfe voneinander erwarten. Ja, man versteht teilweise gar nicht, wie der andere tickt. Und plötzlich offenbart sich eine Mode, von der man bis dato noch nie gehört hat.

Populäres Beispiel: Die Kirschblüte in Bonn. Inzwischen ist sie zur festen Größe geworden, sodass selbst die Stadt im April auf einen Besucheransturm eingestellt ist. Dann werden Straßen gesperrt, weil vor lauter Selfie-Fotografen kein Durchkommen mehr ist. Dank einschlägiger Internetreiseportale ist die Kirschblüte in Bonn weltbekannt. Und zwar schon sehr lange. Anfangs hatte man in der Bundesstadt selbst davon noch keine rechte Vorstellung und wunderte sich, woher die ganzen Menschen plötzlich kamen. Aus aller Welt. Aber bevorzugt aus Ostasien, weil dort die Kirschblüte traditionell eine besondere Aufmerksamkeit genießt. Der Trend entwickelte sich also aus einer Blase (sic!).

Minecraft und Legosteine

Ähnlich frappierend ist zu beobachten, was die eigenen Kinder im Internet anstellen. Wenn ich meine Tochter frage: „Welches Computerspiel spielst du auf deinem Tablet?“, lautet die Antwort: Minecraft. Da baut man aus Würfeln eigene Welten zusammen. Wer aus der analogen Welt stammt, könnte darin virtuelle Legosteine erkennen, ein Physiker würde vielleicht von großen Molekülen sprechen. Am Ende kann man in der Welt so allerhand unternehmen, fast wie im richtigen Leben. Aber jetzt kommt’s.

Inzwischen hat sich die Mode entwickelt, dass bestimmte, sehr gute Minecraft-Spieler vor laufender Kamera gegeneinander spielen. Und die Gefolgschaft sieht sich das stundenlang an. Also nicht selbst tun, sondern andere beim Tun beobachten. In diese Welt muss man sich als Spätdigitalisierter erst einmal hineindenken. Auch diese Gemeinschaft kann man getrost als Blase bezeichnen.

Von Milieus und Ufos

Dabei gab es schon in früheren Zeiten Milieus, die sich weit ab des allgemeinen Hauptstromes befunden haben. Nehmen wir einmal das Thema „Eiserner Mann“ im Kottenforst zwischen Buschhoven, Dünstekoven, Heimerzheim und Alfter. Da steht ein wie auch immer dort hingekommenes eisernes Relikt aus längst vergangenen Zeiten im Zentrum der Schnittlinien mehrerer Waldwege. Lange Zeit kannte man dessen Bedeutung und Herkunft nicht. So etwas gibt Raum für Spekulationen.

Und so kam einst der Ufo-Vordenker Erich von Däniken in seinem Buch „Aussaat und Kosmos“ zu folgenden Formulierungen: „Man muss nicht immer das Abendland verlassen, um zu verwunderlichen Entdeckungen zu kommen! Im Kottenforst, wenige Kilometer westlich von Bonn, steht ein Eisenpfahl, den die Leute dort seit Urväterzeiten den Eisernen Mann nennen. Der Eisenpfahl ragt 1,30 Meter aus dem Boden, soll aber nach verschiedenen Schätzungen und Magnetwiderstandsmessungen 28 Meter tief im Boden stecken. Das aus dem Boden ragende Stück zeigt eine leichte Oberflächenverwitterung, jedoch seltsamerweise keine Spuren von Rost. Erstmals taucht der Pfahl in einer Urkunde aus dem 14. Jahrhundert auf, er wird als dörfliche Grenzmarkierung angegeben.“

Von Däniken legt nahe, dass es sich bei dem Eisenpfahl um eine ähnliche Legierung (also Zusammensetzung) handeln könnte, wie sie im Tempelhof von Delhi zu finden ist. Er kommt zu dem Schluss: „Auch Mitteleuropa kann ein Ziel für Götterbesuche gewesen sein.“ Was in seiner Welt so viel bedeutet wie: ein Ufo-Landeplatz.

Glücklicherweise konnten Historiker und Bodendenkmalpfleger aufklären: Der Pfahl ist nur etwa einen Meter tief im Erdreich. Und ein Dokument von 1625 berichtet, dass die eiserne Markierung von Altgraf Werner von Salm (1545-1629) gesetzt wurde, um den damals strittigen Grenzverlauf zwischen den Herrlichkeiten Alfter und Heimerzheim zu klären. Das ist weit weniger abenteuerlich als die Ufo-These, aber umso wahrer.

  • Unterm Strich: Ein persönlicher Blick von GA-Autoren auf Haupt- und Nebensachen, Wichtiges und Kurioses.
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