Kommentar Abhöraffäre/Europa - Misstrauen
BRÜSSEL · Europa steht vor einer Bewährungsprobe. Es geht nämlich nicht mehr nur um die Aktivitäten der US-Geheimdienste. Die Praktiken amerikanischer Internet-Konzerne, die aus geschäftlichen Gründen und auf Druck der NSA Daten europäischer Bürger abgesaugt haben, hinterlässt ein tiefes Misstrauen Richtung Washington.
Noch ist kein Fall bekannt, wo Informationen auch in den Bereich der Wirtschaftsspionage fallen würden.
Dass man aber auch mit dieser Möglichkeit rechnen sollte, liegt auf der Hand. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Thema Datenschutz in der Europäischen Union eine Bedeutung, die es vielleicht zuletzt 1987 beim Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes hatte.
Die EU muss sich deshalb dringend beweisen. Auf die Union richten sich jetzt die Augen der Bürger, die die Freiheit in der Telekommunikation haben wollen, ohne dadurch ihre Privatsphäre riskieren zu müssen.
Doch Brüssels Rolle ist zwiespältig. Schließlich waren es die EU-Institutionen, die Washington den Zugriff auf Bankdaten, auf Passagier-Informationen, auf weitere Sammlungen über die Bürger erlaubt haben.
Jetzt muss die EU zurückrudern, sie muss klar sagen, wo sie steht und ob sie wirklich alles mitmachen will, was die USA im Sinne eines falsch verstandenen Kampfes gegen den Terror erlauben.
Vor diesem Hintergrund hat dieser EU-Gipfel unerwartet eine fast schon dramatische Wende genommen.