Kommentar zur Entwicklung an der Börse Abwärts

Bonn · Um rund ein Fünftel sind die Aktienkurse in Frankfurt seit dem Allzeithoch des Dax im April eingebrochen. Der nächste Crash ist keineswegs ausgeschlossen. Ein Kommentar.

"Sell in May and go away" - Wer diese alte Börsenregel in diesem Jahr befolgte, hat nichts falsch gemacht. Um rund ein Fünftel sind die Aktienkurse in Frankfurt seit dem Allzeithoch des Dax im April eingebrochen. Satte elf Prozent an Börsenwert - mehr als 100 Milliarden Euro - verloren die dort versammelten 30 großen deutschen Konzerne alleine in den vergangenen zehn Tagen. Das ist viel Geld. Und anderswo sieht es nicht besser aus. An der New Yorker Börse notiert der Dow-Jones-Index so tief wie seit Oktober nicht mehr. In Fernost, vor allem China, kam es zu Panikverkäufen. Die Nervosität ist groß, die Angst geht um. Kommt demnächst der große Crash?

Das ist keineswegs ausgeschlossen. Die Aktienmärkte leiden derzeit stark unter den globalen Konjunktursorgen. Die Weltwirtschaft steht an vielen Fronten erheblich unter Druck, Indizien für einen globalen Abschwung mehren sich: Öl, Schmierstoff der Weltkonjunktur, ist billig wie seit Jahren nicht mehr. Die Preise für fast alle wichtigen Rohstoffe sind seit Monaten im Sinkflug. An den Börsen hat die Korrektur der in den letzten Jahren stark gestiegenen Vermögenswerte eingesetzt.

Vielerorts wackelt die Wirtschaft. Griechenland ist dabei noch das geringste Problem. China das vielleicht größte. In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hat das Wachstum bedrohlich nachgelassen. Was früher für die deutschen Handelsbeziehungen zu den USA galt, trifft heute genauso auf die Abhängigkeit vom größten asiatischen Markt zu: Wenn China einen Schnupfen hat, bekommen deutsche Manager in Wolfsburg, Düsseldorf und Stuttgart die Grippe.

Nicht besser sieht es in anderen hoffnungsvoll gestarteten Schwellenländern aus. Aus Indien kommen keine nennenswerten Impulse. Russland leidet wegen des Ölpreisverfalls und der Sanktionen unter einer schweren Rezession. Brasilien hält sich laut Ratingagenturen nur noch knapp über Ramschniveau. In der Türkei hat die Lira hat seit Jahresbeginn ein Drittel an Wert verloren, das Land steht vor großen innenpolitischen Problemen. In Südafrika notiert die Landeswährung Rand ebenfalls auf Tiefstand. "Tigerstaaten" wie Thailand oder Malaysia sind längst als Bettvorleger gelandet. Und in Europa beschäftigen sich viele Länder mit der Verdrängung ihrer großen Schulden- und Konjunkturprobleme.

Wenn man sich heute auf dem Globus umschaut, stehen unter den wichtigen Volkswirtschaften eigentlich nur die USA einigermaßen im Saft. Und Deutschland. Aber wie lange kann das in diesem Umfeld gutgehen? Und wie krisenfest ist dieses Land, wenn selbst bei seit Jahren in Rekordhöhe sprudelnden Steuereinnahmen überall das Geld fehlt? Nicht nur bei den Aktienkursen, auch bei den Konjunkturprognosen dürften wir die Höchststände in diesem Jahr gesehen haben. Was kommt, werden Korrekturen sein. Und zwar nach unten.

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