Kommentar Acht Monate bis zu den Wahlen - Unklare Aussichten

Das wäre geschafft. In einer beeindruckenden Art haben sich die Koalitionsparteien geeinigt. Zwar nur über den Termin der nächsten Bundestagswahl am 22. September. Aber immerhin. Denn bei den meisten politischen Entscheidungen, die die Merkel-Koalition vor sich herschiebt, ist von Einigungswillen nichts zu spüren.

Der Verlauf des ergebnislosen Koalitionsausschusses spricht Bände. Überdeckt wird die ganze Regierungsmisere von zwei Faktoren: Der alles überragenden Popularität der Kanzlerin und einer halbwegs befriedigenden ökonomischen Situation im Lande. Das ist aber auch alles.

In den Unionsreihen hat sich acht Monate vor den Wahlen eine fatale Debatte über den Wert der FDP und der christ-liberalen Koalition entwickelt. Die CDU-Ikone Heiner Geißler hat diese Debatte mit einem polemischen Satz auf den Punkt gebracht: "Schwarz-gelb ist ein totgerittenes Pferd." Die Unlust an der FDP entstand mit den niedersächsischen Landtagswahlen, wo eine nicht einmal besonders engagiert geführte Leihstimmenkampagne zwar die Liberalen auf 9,9 Prozent katapultierte, gleichzeitig die bürgerliche Koalition an der Leine aber die Mehrheitsfähigkeit kostete.

Da sind sehr viele taktische Fehler gemacht worden. Die FDP genießt das Ergebnis und schweigt zu der unionsinternen Debatte. Sie weiß, dass sie nicht über den einen politischen Kopf verfügt, der der Partei neue Perspektiven vermittelt. Philipp Rösler ist es erkennbar nicht.

Die Ausgangslage der Oppositionsparteien ist aber nicht komfortabler geworden. Die Links-Partei hat mit ihrer Steuer-Forderung zwar Schlagzeilen gemacht, sich aber gleichzeitig aus dem Kreis politisch Verantwortlicher für viele verabschiedet. Spätestens mit den Hannover-Wahlen ist zudem klar, dass die Piraten im Moment keine wirkliche Perspektive haben. Sie werden in dem am Ende sehr stark personenorientierten Wahlkampf ohne Chance sein.

Reicht es für Rot-Grün am 22. September? Keine Frage: Die Öko-Partei hat zurzeit die solideste Basis. Es gibt kaum offen ausgetragenen innerparteilichen Streit. Die Organisation ist professioneller geworden. Sie hat mit dem Atomausstieg Deutschlands ihr Thema - auch wenn die Initiative von der Koalition kam.

Und die SPD? Sie ist in einer frustrierenden Situation. Dass eine Mehrheit der SPD-Anhänger in dem Kandidaten Peer Steinbrück eher eine Belastung als einen mobilisierenden Faktor sieht, ist demoskopisch belegt. Die Partei hat nur eine Option: Sie muss die Sozialpolitik in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung stellen - egal ob das zu mehr oder weniger "Beinfreiheit" für den Kandidaten führt. Steinbrück muss eines von seinem Schachpartner Helmut Schmidt lernen: Öffentliche Anerkennung muss man sich hart erarbeiten.

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