Alle Fragen offen

Das Referendum ist vorbei und es ist kein Problem gelöst. Es ist auch ganz unerheblich, ob die Griechen mit Ja oder Nein gestimmt haben. Schon vorher war klar, dass ein erheblicher Teil des Wahlvolkes die Reformforderungen der EU kritisch sieht.

Tsipras hat jetzt ein Mandat, in diesem Sinne weiterzuverhandeln. Eine neue Situation am Verhandlungstisch in Brüssel ist das nicht, denn so war es vorher auch schon. Das Referendum gleicht einer einsamen Feuerwerksrakete, die lärmend aufsteigt, laut platzt und bunte Lichter in den Himmel schickt, die hübsch verglühen. Dann wird es wieder dunkel. Das Volk sagt Nein, aber Griechenland ist immer noch pleite.

Die Verhandlungen gehen also weiter. Müssen sich jetzt die Griechen bewegen und sagen, was sie anzubieten haben, um die Krise zu lösen? Mag sein, dass sich die anderen Euro-Staaten auf diesen Standpunkt stellen, um Tsipras zu schwächen. Wenn sich die Krise in seinem Land verschlimmert, wird er rasch unter Druck geraten. Ein neues Referendum macht da keinen Sinn mehr. Dieses Pulver hat er verschossen. Oder will man das Problem endlich vom Tisch bekommen? Dann wird man den Griechen endlich einen Schuldenschnitt anbieten und sie dann weiter so hilflos wie bisher an ihren Problemen herumwerkeln lassen - ohne Aussicht auf nachhaltige Besserung, aber womöglich unter Aufsicht der Euro-Staaten. Das wäre ein Fortschritt, denn es brächte das Eingeständnis, mit den normalen Mitteln am Ende zu sein.

Eine rasche Lösung wäre indes hilfreich, damit Europa sich endlich den grundsätzlichen Themen widmen kann, die das populistische Referendum-Theater noch einmal unübersehbar aufgeworfen hat. Was will die Euro-Gruppe tun, wenn sich Mitglieder vorsätzlich nicht an die Spielregeln halten? Wie will sie den Ausstieg solcher Staaten organisieren? Wie will Europa nach diesem Fehlschlag grundsätzlich weitermachen? Wie wichtig sind die finanziellen Fragen wirklich, wenn doch so klar erkennbar ist, dass es im Fall Griechenland um weit mehr als Schulden und Reformen geht. Europa braucht ein paar neue Grundsätze und Spielregeln. Es muss über den Wert der eigenen Werte und ihre Bedeutung im Verhältnis zum Geld nachdenken. Es muss genau definieren, wie viel Spielraum die einzelnen Nationen haben sollen. Eine Frage, die übrigens auch die Briten stellen. Es müssen Antworten her, denn so wird es nicht weitergehen. Schnell wird aber auch das vermutlich nicht gehen. Es wäre das erste Mal in Europa.

Die größten Schwierigkeiten hat am Ende das griechische Volk. Seine Regierung besteht aus Marxisten und sie zeigt deren oft zynisches Verhältnis zu den Sorgen der Menschen. Sie sind Spielmasse beim Kampf um angeblich höhere Ziele. Tsipras hat die Menschen in ein Referendum geführt, das ihnen nichts bringt. Antworten auf ihre existenziellen Fragen hat er nicht. Die aber müssen her und das wiederum ist ein europäisches Thema. Es bleibt nämlich ein dringendes humanitäres Problem übrig. Man wird die Griechen nicht ins Elend abgleiten lassen können. Das widerspricht den europäischen Werten, die in den Sonntagsreden beschworen werden. Hier müssen sich diese Werte bewähren und zwar schnell.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Zum Thema
Jana Marquardt
zu Arbeitslosen in Deutschland
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur ArbeitslosenquoteViel Potenzial bei Ungelernten
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Wieder ein Endspiel?
Kommentar zur krieselnden Ampel-Koalition Wieder ein Endspiel?
Aus dem Ressort