Kommentar Alleingang von Thomas de Maizière - Der Ungeschickte

Was ist nur mit Thomas de Maizière los? Es ist noch nicht lange her, da war er der natürliche Nachfolger, wenn Angela Merkel ausfallen würde und die Union von heute auf morgen einen neuen Kanzler bräuchte.

Der Abstieg des derzeitigen Bundesinnenministers ist atemberaubend. Aus de Maizière, der Kanzlerreserve, dem Kanzlervertrauten, ist de Maizière, der Problemminister des Bundeskabinetts, der unsicherste Kantonist der Kanzlerin, geworden.

Um die Sache, mit der de Maizière erneut für Irritationen in der Flüchtlingsfrage sorgt, geht es gar nicht so sehr. Die Frage, ob Flüchtlinge aus Syrien nach der Genfer Konvention zu behandeln sind und damit Anspruch auf Familiennachzug haben, ist etwas für Experten. Es ist vielmehr das ganze Szenario, das so verstörend wirkt: Dass der Innenminister zunächst bei einer durchaus sensiblen Frage der Flüchtlingspolitik am Freitag vorprescht, dass er zuvor nichts mit dem Kanzleramt und dem Koalitionspartner besprochen hat, das ist schon sehr ungewöhnlich.

Um es vorsichtig zu formulieren. Die näheren Umstände sind dann noch viel schlimmer: Dass er in der Flüchtlingsfrage zuvor von der Kanzlerin zwar nicht formell, aber faktisch entmachtet wurde, und er dennoch diesen Alleingang machte, ist alarmierend. Dass Kanzleramtsminister Peter Altmaier - also derjenige, dem Angela Merkel die Kompetenzen in der Sache gegeben hat - über die Medien de Maizière korrigiert, das ist ist die zweite öffentliche Demontage des ehemals hoch geschätzten Politikers binnen weniger Wochen.

Dass Merkel de Maizière damals nicht einfach auswechselte, ihm lediglich die Kompetenz wegnahm, wurde noch als ein Zeichen von Merkels Souveränität gedeutet. Nach dem neuerlichen Vorfall von offensichtlichem Minister-Versagen stellt sich die Frage: Wie lange schaut sich Merkel das noch an? De facto ist ihr Vertrauter Altmaier jetzt ja schon der Super-Minister für Kanzleramt und Inneres.

Geradezu tragisch ist, dass de Maizière ja nicht im Begriff ist zu scheitern, weil er etwa politisch-programmatisch etwas fundamental anderes wollte als die Kanzlerin. Es mag da inhaltlich Nuancen geben, die die beiden trennen. Aber: Er ist nicht der politische Gegenspieler Merkels in der CDU in der Flüchtlingsfrage. Er handelt einfach nur ungeschickt. In Ansätzen war dies schon zu beobachten, als er noch im Verteidigungsministerium war, etwa bei den Beschaffungsaffären. Heute ahnt man, dass Angela Merkel Menschenkenntnis bewiesen hat, als sie seine Defizite erkannte und ihn aus dem immer wieder brenzligen Verteidigungsressort ins Innenressort versetzte, das der Verwaltungsmann, der mit seinen preußischen Tugenden kokettierte, doch vermeintlich so gut im Griff hatte. Die Kanzlerin konnte nicht ahnen, welch harte Bewährungsprobe die Zeitläufte mit der Flüchtlingsfrage für de Maiziere vorgesehen hatten.

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