Kommentar Alternative für Deutschland - Absteiger AfD

Man kann von Hans-Olaf Henkel halten, was man will. Aber eines wird man ihm nicht absprechen können: Geradlinigkeit. Was man von der Partei, die ja auch nach seinem Rücktritt als Parteivize noch immer die seine ist, ganz gewiss nicht sagen kann.

Im Gegenteil. Henkels Rücktritt nach Monaten der Querelen macht ein weiters Mal deutlich, wie tief gespalten, ja zerrissen die AfD ist. So viel ist klar: Wer heute diese Partei wählt, wählt eine Truppe, die mit dem bei ihrer Gründung vermittelten Ansprüchen und Themen nichts mehr gemein hat. Sie war eine Partei, die der Widerstand gegen die Euro-Rettungspolitik einte. Ein Widerstand, der aus der bürgerliche Mitte kam, das geistige Rückgrat der Partei waren Professoren. Bei all der Skepsis gegenüber der Euro-Politik war die AfD durchaus keine europafeindliche oder deutschnationale Partei.

Das hat sich längst geändert. Eine Entwicklung war notwendig, weil der Euro-Protest nicht weit genug trug. Der Euro ist nach wie vor eine stabile Währung mit Anziehungskraft, und in der Bevölkerung ist eher das Verständnis dafür gewachsen, wie sehr die gemeinsame Währung im deutschen Interesse liegt.

Aber das programmatische Vakuum - außer dem Euro hatte die AfD nie viel zu bieten - füllen seit langem Kräfte, die aus der AfD etwas ganz anderes machen wollen: keine Partei, sondern eine Bewegung, keine bürgerliche Alternative, sondern ein Sprachrohr des Protestes der Straße, keine europafreundliche- und weltoffene Organisation, sondern ein Sammelbecken für einen neuen Nationalismus und einen Transmissionsriemen für eine dröhnende Das-Boot-ist-voll-Politik. Aus einer Reformpartei soll eine Gruppierung werden, die dem Mob eine Plattform bietet.

Das würden die Bannerträger des nationalen Rechtsschwenks natürlich nie so sagen. Alexander Gauland gibt den Intellektuellen mit der "Man-wird-ja-noch-mal-sagen-dürfen-Pose". Und Frauke Petry gibt, nun ja, ein paar schick-freche Interviews. Doch damit decken sie nur die Operation Übernahme, die von anderen theoretisch vorangetrieben wird. Wie zum Beispiel dem Thüringer Björn Höcke, der mit seiner Erfurter Resolution die Kampfschrift der parteiinternen Revolte verfasst hat. In der wird offen als Ziel formuliert, aus der AfD "eine Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands zu machen". Man braucht keine Fantasie, um zu erkennen, wohin dieser Hase laufen soll.

Parteichef Lucke ist ein Mann mit durchaus fragwürdigen Führungsmethoden. Aber man muss ihm zugutehalten, dass er sich dieser Unterwanderung entschlossen entgegenstellt. Nun hat er mit Hans-Olaf Henkel seinen wichtigsten Mitstreiter verloren. Seine Stellung wird immer prekärer. Er hat seinen Widersachern kein plausibles Alternativmodell entgegenzusetzen. Denn der Anti-Euro-Kurs verliert kontinuierlich an Zugkraft. Lucke bittet nun die Parteimitglieder zu einem Mitgliedervotum. Das ist begrüßenswert.

Dann wird sich zeigen müssen, wie die Partei in ihrer Gesamtheit wirklich tickt. Wahrscheinlich wird dabei ihre ganze Zerrissenheit offenbar. Das alles muss nicht heißen, dass die AfD bald von der Bühne verschwindet. In Zeiten großer Koalitionen haben Protestparteien ein gewisses Potenzial. Aber die beste Zeit hat die AfD wohl hinter sich.

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