Kommentar Altmaiers Herausforderungen - Problemberge

Am Montag nach der Wahlniederlage in NRW hatte Angela Merkel den Blick nach vorn richten wollen. Landtag ist Landtag, aber sie regiert im Bund. Drei Baustellen nannte die Kanzlerin, die ihr auf den Nägeln brennen: die Energiewende, das Betreuungsgeld und die Euro-Schuldenkrise.

Nun muss man bezweifeln, dass die umstrittene Familienleistung das Pulver wert ist, das dafür verschossen wird. Der Fortbestand der Währungsunion und eine sichere Energieversorgung sind aber ganz bestimmt die beiden Säulen, auf denen unser Wohlstand beruht und beruhen wird.

Merkels Volte vor einem Jahr, ausgelöst durch die Atomkatastrophe von Fukushima, die den Abschied aus der Kernkraft endgültig besiegelte, wirkte ähnlich emotional wie jetzt der Rauswurf Norbert Röttgens aus dem Kabinett. Allerdings hat die Energiewende, weg von der Atomkraft, hin zu Wind, Sonne, Geothermie, eine ungleich größere Auswirkung und kann, wenn sie weiterhin so holprig umgesetzt wird, durchaus auch scheitern.

Problem eins: Die Strommenge aus Wind- und Sonnenenergie hat seit vergangenem Jahr enorm zugenommen, im ersten Quartal um fast 40 Prozent. Doch es gibt nicht genügend Speicher, die Technologie ist noch nicht ausgereift, und so hat Strom aus erneuerbaren Energien bei der Einspeisung in die Netze Vorrang. Heißt: Konventionelle Kraftwerke müssen ihre Produktion herunterfahren. Das macht sie für die Betreiber je nach Standort unrentabel, die sie deshalb schließen.

Problem zwei: Erneuerbarer Strom ist für die Verbraucher teuer. Das war in der Anreizphase richtig, muss aber jetzt schrittweise abgebaut werden. Monatelang haben Umweltminister Röttgen und Wirtschaftsminister Philipp Rösler um einen Kompromiss für die Solarförderung gerungen. Als er endlich zustande kam, haben ihn vergangene Woche die Länder gestoppt. Sie fürchten um ihre Photovoltaik-Unternehmen, machen sie pleite, gehen auch innovative Arbeitsplätze verloren.

Problem drei: Wind- und Solarstrom sind unzuverlässig, es braucht also Sicherheitspuffer, konventionelle Kraftwerke, die man vorhält. Doch wer soll das bezahlen, wenn sie sich nicht rentieren?

Problem vier: der Netzausbau. Elektrizität aus Erneuerbaren benötigt neue Leitungen, Tausende Kilometer zusätzliche Stromtrassen müssen gebaut werden. Es gibt rechtliche und bürokratische Hürden, und in ländlicher Idylle macht die Bevölkerung oft nicht mit. Auch dabei stehen die Investoren nicht Schlange.

Problem fünf: der Klimaschutz. Deutschland verteidigt auf internationalen Konferenzen ehrgeizige CO2-Abbauziele, muss aber noch viel tun, um sie langfristig einhalten zu können.

Problem sechs: die Suche nach einem Atommüll-Endlager. Wie es aussieht, dürfte die Regierung bis zur Wahl 2013 ein Standortsuchgesetz nicht mehr auf den Weg bringen. Ohne Endlager ist aber der ganze Atomausstieg sinnlos.

Die Liste ließe sich fortführen. Man versteht, warum Merkels "Neuer" am Mittwoch sehr ernst blickte.

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